Promotionsbeziehungen: Welche Art von Beziehung besteht zwischen Promovierenden und Promotionsbetreuenden? Oder zwischen Doktorand*innen und ihrer Dissertation? Und was können wir tun, wenn die Beziehung (mal) nicht so gut läuft?
Was wir aus der Psychologie und der systemischen (Paar-)Therapie dazu lernen können, darüber spreche ich im Coachingzonen-Podcast mit dem Psychologen und Coach Dr. Martin Greisel.
Promotionsbeziehung – Promotionsbetreuung
Grundlage dieses Blogbeitrags ist der Coachingzonen-Podcast, Episode 187 mit Dr. Martin Greisel, der nicht nur Forscher, sondern auch Anti-Prokrastinations – Coach ist: https://www.zenyourlife.de/
Promotionsbetreuung auf Augenhöhe
Das Betreuungsverhältnis in der Promotionsphase kann unterschiedliche Rollen beinhalten, die sich meist im Laufe der Zeit ändern. Im traditionellen Verständnis der Promotionsbetreuung sprechen viele Promovierende und Betreuende von Doktorvater und Doktormutter. Das impliziert ein Eltern-Kind-Verhältnis, die Rollenverteilung erinnert aber auch an eine Meister’in-Schüler*in-Beziehung.
Und ähnlich wie Kinder und Schüler*innen sollten Doktorand*innen im Laufe ihrer Promotion eigene Wege gehen dürfen. Promotionsbetreuende sollten dann die Autonomie in der Forschung akzeptieren, auch wenn sie meinen, es besser zu wissen und selbst anderer Meinung sind.
Neben der Supervision der Forschung nehmen Betreuende teilweise auch eine pädagogische Rolle ein, vergleichbar mit der von Lehrer*innen oder Eltern, die ihre Kinder bzw. Schüler*innen auf dem Weg zur Eigenständigkeit und Selbstständigkeit begleiten. Promotionsbetreuende müssen also einen Rahmen bereitstellen, in dem sich Doktorand*innen mit ihrer Forschung entwickeln können.
Im Grunde bleibt die Beziehung also doch immer asymmetrisch, wenngleich sich Doktorand*innen im Promotionsprozess unabhängig machen und zu eigenständigen Forschenden entwickeln (sollen). Doch nicht immer ist das Betreuungsverhältnis so klar definiert und bewegt sich zwischen Freundschaft und starker Hierarchie inklusiver existenzieller Abhängigkeit.
Wer sich zum Thema #MachtmissbrauchimHochschulsystem, #MachtmissbrauchinderWissenschaft informieren möchte, kann diese Hashtags auf Twitter verfolgen.
Die Beziehung in der Promotionsbetreuung ist oft nicht klar definiert
Viele Betreuungsverhältnisse bewegen sich zwischen einem Meister-Schüler-Verhältnis, einem Chef*in-Angestelltenverhältnis, Freundschaft, Mentoring, Coaching oder Hofstaat.
Egal, um welche Rollenverteilung es sich in den jeweiligen Promotionsbetreuungsbeziehungen handelt, die Promotionsbetreuung ist Führungskraft und sollte die Führungsrolle auch immer bewusst übernehmen.
Unsicherheiten bestehen, weil die Beziehung nicht klar definiert wird und die Beteiligten diese Beziehung nicht thematisieren. Missverständnisse und Erwartungsdruck sind die Folge.
Und es wäre so viel gewonnen, wenn das Betreuungsverhältnis in der Promotion trotz unterschiedlicher Hierarchien eine Beziehung auf Augenhöhe mit der Idee des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns wäre. Eine professionelle Beziehung, in der das bessere Argument gewinnt, in der man sich mit gegenseitigem Respekt begegnet. Unterstützung gibt es dann dort, wo sie gebraucht oder gewünscht wird. Eine solche professionelle Beziehung, in der kompetente Menschen gemeinsam an einer Sache arbeiten.
Denkst Du über einen Betreuungswechsel nach? Hier zum Blogbeitrag: Wechsel der Promotionsbetreuung
Professionalisierung der Doktoratsbetreuung: Begleitung und Austausch
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die Beteiligten der Promotionsbetreuung über das bestehende Machtgefälle in der Promotionsbetreuung nicht bewusst sind.
Die Promotionsbetreuenden begutachten und bewerten am Ende die Dissertationen und entscheiden damit über die Zukunft der Promovierenden, zumal einige Betreuende auch Vorgesetzte sind. Dies beeinflusst Feedbackprozesse auf beiden Seiten und damit auch Entwicklungs- und Lernprozesse.
Martin Greisel schlägt im Podcast daher vor, dass Promotionsbetreuende explizite Feedbackschleifen einbauen, indem sie nicht nur nach dem Stand der Dissertation, sondern auch nach individuellen Herausforderungen fragen. Dazu gehört auch, dass Promovierende sich nicht schämen sollten, dass sie promotionsrelevante Kompetenzen oft erst erlernen müssen.
Und auch die Frage, ob private Lebensumstände in die Betreuungsgespräche gehören, sollte geklärt werde. Ob Care-Arbeit zu leisten ist oder ob gesundheitliche Einschränkungen auf den Promotionsprozess einwirken, entscheidet über das Vorankommen und auch das Verständnis der Promotionsbetreuung. Das private kann privat und doch für den Promotionsprozess relevant sein
Einige Hochschulen bieten inzwischen auch Fortbildungen für Promotionsbetreuende an, die dabei unterstützen, Promovierende durch regelmäßigen Austausch zu begleiten, in das wissenschaftliche Umfeld einzubinden und die Fähigkeit zu eigenständiger wissenschaftlicher Forschung zu fördern.
Herausforderungen im Betreuungsprozess: was können Promovierende tun?
Für viele Doktorand*innen ist es schwierig, sich von sich aus gegenüber den Promotionsbetreuenden zu öffnen. Gründe dafür sind Abhängigkeiten, Selbstzweifel, Unsicherheiten bezüglich der Forschung und der Karriereperspektiven. Hinzu kommen persönliche Themen wie „Promotion Erste-Generation“, Migrationshintergrund, zweiter Bildungsweg, Fachhochschulabschluss, Sorgearbeit und/oder die berufsbegleitende Promotion.
Darüber hinaus kann es sein, dass die Promotionsbetreuung von dem/der Vorgesetzten / Projektleitung übernommen wird und Promotion und finanzielle Existenz verwoben sind.
Sinnvoll ist es, wenn auch Promovierende als Akteur*innen des Promotionsprozesses in die Gestaltung und die Verantwortung für ihre Promotionsbetreuung mit übernehmen.
Martin Greisel empfiehlt im Podcast, dass Doktorand*innen ihr Einzelkämpferdasein aufbrechen, indem sie sich vernetzen, austauschen, an Schreibgruppen oder kleinen Kolloquien teilnehmen können. Wichtig ist, dass Promovierende zugeben dürfen, dass sie etwas (noch) nicht können.
Hier ist übrigens das Coachingzonen-Mitgliedsprogramm Fokus-Promotion zu empfehlen.
Darüber hinaus zeigt Martin Greisel, wie auch eine (paar-)therapeutische Perspektive interessante Denkanstöße und Handlungsoptionen zur Verbesserung der Betreuungsrelation liefern kann. Hier einige Beispiele:
Wahlentscheidung
Das Betreuungsverhältnis zwischen Professor*in und Doktorand*in ist eine Wahlentscheidung. Vielleicht erinnerst Du Dich noch daran, wie Du diese Entscheidung getroffen hast.
Und deshalb kann der Ausstieg aus dieser Beziehung als eine andere Entscheidung immer eine Option sein.
Lies gern auch meinen Blogbeitrag zum Thema Wechsel der Promotionsbetreuung und ggf. den Beitrag Promotionsbetreuung, nein danke.
Die zirkuläre Kausalität durchbrechen
Unsicherheiten, Unklarheiten in der Kommunikation und Missverständnisse begleiten jeden Promotionsprozess.
Promovierende könnten auf die idee kommen, dass sie nicht gut vorankommen, weil die Promotionsbetreuung sie daran hindert. Und Promotionsbetreuende fragen sich, warum die Promovierenden nicht vorankommen.
In der Psychologie gibt es den Begriff der „zirkulären Kausalität“.
Das bedeutet, dass Menschen ihr Verhalten als Reaktion auf das Verhalten anderer definieren. Eine Situation bleibt so, wie sie ist, weil man glaubt, dass eine Veränderung nur möglich ist, wenn sich zuerst der andere ändert. Diese Denkweise führt zu Frustration und Enttäuschung. Deshalb ist es wünschenswert, wenn die Beteiligten, in diesem Falle besonders die Promovierenden, aus dieser Denkweise ausbrechen und die Verantwortung für ihr Promotionsmanagement bzw. Promotionsbetreuung übernehmen.
Man kann auch mit kleinen Schritten in Richtung positiver Veränderungen beginnen, kleine Anpassungen vornehmen und neue Gewohnheiten einführen.
Martin Greisel betont im Podcast, dass genau das „das Gute an dieser Perspektive ist. Denn dadurch hat es jeder auch selbst in der Hand, diesen Kreis zu durchbrechen. In dem Moment, in dem du anfängst, dich anders zu verhalten, ändert sich wahrscheinlich auch das System. Probiere es aus!
Kleine Schritte für Promovierende
Da Veränderung bei sich selbst beginnen muss (man kann andere eben nicht ändern), hilft es die Veränderung in kleinen Schritten zu gestalten.
Martin Greisel: „Stell dir Dein Betreuungsverhältnis auf einer Skala von 1-10 vor. Wie unzufrieden bist Du gerade? Empfindest du die Situation zum Beispiel als eine 3, wie würde das Verhältnis bei 4 oder 5 aussehen? Was könnte besser sein und was kannst du ganz konkret ändern? Wenn es Dir gelingt, kleine Verhaltensweisen zu identifizieren, wird Veränderung schon viel machbarer und dann kann sich auch mehr ändern. Wenn du zum Beispiel auf Feedback wartest, dass nicht kommt und Du deshalb in der Luft hängst, wäre eine Möglichkeit, dir Feedback von einer anderen Person zu holen.“
Welche kleinen Schritte kannst du machen?
Die Diss gut ins Ziel bringen
Was brauchst Du eigentlich, um Deine Dissertation gut zu Ende zu bringen? Wenn Du weisst, was Du brauchst, hast Du auch die Möglichkeit die Beziehung zu deiner Promotionsbetreuung selbst mitzugestalten. Einige Anregungen dazu findest du in den Blogbeiträgen
Blogbeitrag: Störungen in der Kommunikation als „Bremse“ bei der Dissertation
Blogbeitrag: Promotionsberatung planen
Blogbeitrag: Absprachen mit der Promotionsbetreuung
Auch die Dissertation hat ein Eigenleben: die Beziehung zur Diss
Wie ist eigentlich Deine Beziehung zu Deiner Dissertation? Wie gehst Du damit um, dass Du sie nicht immer steuern kannst? Dass sie sich manchmal wie ein*e Partner*in mit Eigenleben verhält?
Die Dissertation nimmt viel Zeit und einen hohen Stellenwert bei Promovierenden ein. Das macht sich auch immer wieder auf der emotionalen Ebene bemerkbar, mit intensiven Momenten der Freude, Angst oder Frust.
Was kannst Du tun, um Dich besser mit Deiner Dissertation zu verstehen?
Akzeptiere das Anderssein. Nimm Deine Dissertation an als gegenüber mit eigenem Willen. Wenn Du die Idee aufgibst, dass Du Deine Dissertation perfekt steuern kannst, reduziert sich der Frust.
Gefühle auch in der Wissenschaft. Nimm Deine Gefühle wahr und arbeite damit. Auch wenn Du sie vielleicht nicht mit Deinen Promotionsbetreuenden teilen magst, kann es helfen, Dir selbst Deine Gefühle einzugestehen. So kannst Du Dich im nächsten Schritt ein bisschen von Ihnen trennen und bist ihnen weniger ausgeliefert.
Nimm die Arbeit so an, wie sie ist. Eigentlich reagieren wir weniger auf die Arbeit an sich, sondern auf die Bilder, die wir davon haben. Wenn Du lernst, die Arbeit so zu sehen, wie sie ist, entsteht Raum für spannende Entdeckungen, für Neugier und … Diss-Liebe
Veranstaltungen für Promovierende und Postdocs
Nimm teil an hilfreichen Workshops für Promovierende und Postdocs. Workshops, Diskussionsrunden und Masterminds