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dissliebe2023

Eine eingereichte Dissertation ist gut, eine publizierte Dissertation ist sehr gut und eine perfekte Dissertation gibt es nicht.

Im Laufe der Promotionszeit schwankt die Beziehung zur Dissertation. Anfangs geliebt, später geduldet, mit schlechtem Gewissen verbunden kann die Dissertation auch mal zur Belastung werden.

Wie schön, wenn man sich dann daran erinnern kann, was man an der Dissertation mag. Ich nehme seit einigen Jahren den Valentinstag zum Anlass, eine Einladung auszusprechen, der Dissertation einen Liebesbrief zu schreiben.

Die Liebesbriefe werden prämiert und hier im Blog veröffentlicht.

Liebesbriefe an Deine Dissertation / 2023

Meine wundervolle, liebe Diss!

Du bist ein absolutes Wunschkind und ich bin so dankbar dafür, dass Du vor 1,5 Jahren in mein Leben gekommen bist. Immer noch habe ich das Gefühl, Dich beschützen und mich für Dich starkmachen zu müssen. Du bist noch so zart, ein Pflänzchen und ich will nicht, dass Du wieder gehst! Darum mache ich jeden Tag peu a peu eben das, was ich kann, um Dich wachsen und gedeihen zu lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Unsicherheit so lange anhält. Wahrscheinlich bin ich erst sicher, dass Du wirklich bei mir geblieben bist, sobald ich den Doktortitel trage.

Ich bin Dir so dankbar für all die neuen Erfahrungen, die ich durch Dich machen kann, die spannenden Vorträge, Artikel, Bücher, die ich schon hören und lesen dufte! Und für den Sinn, den Du mir immer wieder schenkst, die Zeit nur für mich und meinen Entdeckergeist. Ich liebe die Reisen zu Konferenzen, das Schreiben und vor allem die „Me-Time“, die Du mir immer wieder ermöglichst. Pausen vom Alltag!

Bei Dir darf ich sein, wie ich wirklich bin und fühle mich erfüllt. Du unterstützt alle meine besten Qualitäten und lässt mich meine Leidenschaft leben! Du machst mein Leben wild und aufregend. Lass uns zusammen weitergehen und wachsen :-)! Ich freue mich darauf, wenn Du fertig bist.

Deine Christine 

Liebe Diss,

es hängen Herzen in den Schaufenstern, Schokolade und rote Rosen überall. Es ist mal wieder soweit… Love is in the air.
Valentinstag.

Für mich nach Jahren ein Valentinstag als Single.
Ich schaue auf die letzten Jahre mit dir zurück und ich muss gestehen, es schmerzt noch im Herzen.
Anfangs war alles so aufregend, neu und spannend. Was ich wohl mit dir alles erleben werde? Welche Stürme wir gemeinsam durchstehen werden? Und dieses Festhalten an Dir bis zum bitteren Ende – fast schon verbissen…

Aber seit paar Wochen sind wir getrennt. Freundschaftlich.
Dieses Gefühl der Erleichterung, eine Last die von meinen Schultern und meiner Brust fällt, ich kann wieder aufatmen. Die letzten Monate bevor wir Schluss gemacht haben, war eine Prüfung für sich begleitet mit mehreren Schicksalsschlägen.

Du warst da – jeden Tag und jede Nacht. Warst geduldig und verständnisvoll, hast gewartet und mich begleitet, bis ich wieder meine Kraft sammeln und mich um dich kümmern konnte. In dieser Zeit hast auch Du meinen Charakter geformt und gestärkt, mir gezeigt, was und wer wichtig ist, und was nicht.

Einen langen Atem hattest du, wenn ich mal wieder die Welt nicht verstand, ich aus dem Grübeln nicht mehr herauskam und sich fast alles verfinsterte und doch im letzten Moment ein Licht aufging – und du – du warst wie immer da, leise, im Stillen mit einem Zwinkern, aber da. Du warst mein Zufluchtsort und mein Halt, wenn alles andere in meinem Leben nicht so lief, wie es sein sollte.

Ich wollte mich immer wieder trennen von Dir und konnte es nicht. Vielleicht wollte ich noch was retten oder hab mich überreden lassen von anderen noch an dir festzuhalten und an uns weiter zu arbeiten… Unsere gemeinsame Reise endet leider oder auch zum Glück. Zwischenstopp – „Schmerz und Freude“ – eine letzte Umarmung, ein Träne des Abschieds und Loslassens und eine Träne der Erleichterung und Freude – du steigst aus, drehst dich nochmal um. Ich bleibe in meinem Zug noch sitzen, winke noch bis ich dich nicht mehr sehe…

Du wirst immer ein Teil in meinem Leben sein und ich auch ein Teil in deinem.
Sei dir gewiss – ich bin froh, das letzte Kapitel mit dir gegangen zu sein und schätze es sehr, aber ich mache jetzt Platz für neue Bekanntschaften und Abenteuer. Vergessen? Dich? Niemals!

Niemals! Ich werde mit Stolz jedem von Dir erzählen und immer ein Foto mit unserem breiten Grinsen parat haben.

Lass mich weiterziehen – für neue Geschichten, Freunde und Lieben.
und vielleicht auf einen Valentinstag in Zweisamkeit.

In Liebe
Deine Nadide

Nadide (Neurowissenschaften/Biochemie)

Liebe Doktorarbeit,

in gewisser Hinsicht ist es wohl eine ‚arrangierte‘ Ehe, die wir eingegangen sind: Durch äußere Umstände habe ich mich vor nunmehr neun Jahren auf die Suche nach dir als Doktoranden-Stelle eingelassen und auch später einfach brav zugestimmt, als dein Thema auf meinem Schreibtisch landete. Schon ein Jahr nach unserer „Vermählung“ war unser Alltag so schwer tragbar für mich, dass ich ernsthaft über „Abbruch“ nachdachte… Trotz Stolpersteinen und immer wiederkehrenden (Selbst)Zweifeln bin ich heute immer noch „an dir dran“. Es gibt nämlich Dinge, für die ich dir zutiefst dankbar bin:

Durch dich habe ich ganz wunderbare Menschen kennenlernen dürfen — teilweise sind sogar wahre, tragende Freundschaften entstanden. Außerdem war ich durch unsere Schwierigkeiten quasi gezwungen, Hilfe in zu suchen und durfte so eine wirklich wertschätzende, achtsame Gemeinschaft finden. Das zu erleben und Teil davon zu sein, ist unbezahlbar lebensbejahend.

Über mich selbst lerne ich auch unglaublich viel: Eigenheiten, Besonderheiten, Stärken, Schwächen… wie ich mich selbst besser achte und liebe. Du hast mich an Grenzen gebracht, von denen ich nun weiß, dass ich sie vermeiden möchte. Dadurch wächst neues Selbstvertrauen, denn ich habe ein paar Dinge über- und durchlebt und weiß nun, dass ich auch stärker werden kann (und nicht unbedingt nur brüchiger).

Als junger Mensch habe ich mich in die Schönheiten und Wunder der Naturwissenschaften verliebt und hoffe sehr, diese Liebe in dir weiter auszubauen. Mir ist bewusst, dass, vor gar nicht allzu langer Zeit, Frauen für das Recht studieren und promovieren zu dürfen kämpfen mussten. Danke, dass ich diese Liebe offen leben, verteidigen, mitteilen, für mich immer wieder neu entdecken und wiederbeleben darf. Das ist für mein Umfeld teilweise nicht (immer) nachvollziehbar — bis hin zu unverständlich / widersprüchlich.

Nach und nach erkenne ich, dass durch dich Themen in den Fokus gerückt werden, die mir auch in anderen Lebensfacetten begegnen. Du lehrst mich mit diesen Themen umzugehen. Sie und die damit einhergehenden Schwierigkeiten bzw. Unstimmigkeiten auszuhalten, einzugestehen, anzusprechen… Danke, dass du mir eine Chance gibst, an dir zu wachsen. Danke für deine Geduld!

Liebe Doktorarbeit, danke für alle Arten und Weisen, auf die du mein Leben bereicherst und mich stärkst, verfeinerst, wachsen lässt. Dafür liebe ich dich!

Andrea (Physik)

Liebe Dissertation,
vor einem Jahr schrieb ich dir und ließ die vergangenen Jahre Revue passieren: Verliebtheit, Kennenlernen, Zusammenkommen, Pandemie, Erkrankung, Erwartungen, Enttäuschungen, Selbstzweifel, Sinnkrise, Wiederaufraffen, Durchbrennen. Nun sind wir beide ein Jahr weiter und stehen wieder an diesem Punkt: Was ist in der Vergangenheit geschehen?

Wir fanden wieder zueinander, fassten uns neue Ziele und belebten unseren gemeinsamen Traum wieder. Wir verbrachten wieder mehr Zeit miteinander und schenkten uns Aufmerksamkeit. Wir trafen neue Leute und knüpften neue Freundschaften. Wir gaben uns Halt und du mir und meinem Tun einen Sinn.

Aber all das und die damit verbundenen Höhen täuschen nicht über die Tiefen hinweg, welche wir ebenfalls gemeinsam durchliefen. Im vergangenen Jahr haben wir drei Fehlgeburten zu verzeichnen, die jüngste am heutigen Tag… Jede einzelne erschütterte unser Fundament zutiefst und warf die Frage auf, ob das Alles überhaupt noch einen Sinn ergäbe. Eine Sinnkrise knüpfte an die nächste und dennoch ließen wir uns nicht unterkriegen.

Doch dann kam dieser eine Tag, der erneut alles veränderte: Meine über alles geliebte Mutter verstarb plötzlich und für mich und uns alle unfassbar. Sie hatte mit ihrem Alter noch nicht einmal die „6“ vorne erreicht… Ich fiel (erneut) in ein tiefes Loch voller Stille und Leere, voller Trauer und Schmerz. „Warum überhaupt noch weitermachen?“ fragte ich mich. Du hattest Verständnis und gabst mir die Zeit, die ich brauchte, um mit diesem schier unglaublichen Verlust klarzukommen. Es tut immer noch so unendlich weh, aber du gibst mir und meinem Leben den Sinn, den ich durch Tod meiner über alles geliebten Mutter verlor.

Ich versprach meiner Mutter, dass unsere Beziehung bestehen bleiben wird, koste es, was es wolle. Wir werden Nachkommen bekommen, selbst wenn es noch lange dauern wird. Wichtig ist, dass wir uns nicht von unserem wiedergefundenen Weg abbringen lassen – von nichts und niemandem!

Vor einem Jahr schrieb ich „Lass uns unsere Träume verwirklichen, die wir damals hatten! Nur du und ich, nur wir beide und niemand anderes!“. Dies will ich weiterhin tun – mit dir zusammen.

Verfasser*in bekannt

Allerliebste Lieblings-Diss,

ja, du bist meine einzige und alleine deswegen natürlich schon automatisch meine liebste Diss. Und ich weiß, ich zeige meine Liebe mittlerweile auch nicht mehr so. Dir über weite Strecken überhaupt nicht, und auch vor anderen Menschen rede ich oft schlecht über dich. Ich zeige mich frustriert davon, wie viel Aufmerksamkeit du brauchst, wie langsam du wächst, wie viele Rückschläge ich mit dir erlebe. Am Liebsten rede ich darüber, wie sehr ich mich darauf freue, dich endlich gehen zu lassen und nie wieder sehen zu müssen.

Trotzdem, ich hab dich wirklich sehr lieb. Wir haben so viel miteinander erlebt! Einiges davon war nicht schön – schon unser Anfang war holprig, unsere Betreuungssituation war wirklich nie ideal, und ich habe immer wieder an dir gezweifelt, über Trennung nachgedacht. Und dann, als ich endlich Vertrauen in dich und dein Potenzial gefasst hatte, hast du sehr unter meinen Lebensumständen leiden müssen. Vor meinem Privatleben bist du völlig in den Hintergrund gerückt und ich hatte viel, viel zu lange kaum Augen für dich. Aber du bist geblieben, hast jedes bisschen Aufmerksamkeit, das ich übrig hatte, aufgesogen und bist daran gewachsen. Sehr, sehr langsam, aber immer wieder ein kleines Stückchen. Und heute weiß ich: du bist genau so gut wie ich dich sein lasse. Je schöner ich dich finde, desto mehr glitzerst du für mich. Je netter ich zu dir bin, je mehr Aufmerksamkeit ich dir schenke, desto größer und besser wirst du. Wir sind keine Gegner. Wir sind ein Team. Du hast mir so viel gegeben über die Jahre: so viel Wissen, dass ich nur dank dir habe. Du bist ganz allein dafür verantwortlich, dass meine Karriere in eine ganz andere Richtung läuft als ich mir jemals hätte träumen lassen. Ohne dich wäre ich immer unter meinen Möglichkeiten geblieben. Ich hätte nie erfahren, wie gut ich programmieren kann, wie viel Interesse ich an Statistik und Mathematik habe. Und all die anderen Dinge, die du mir über mich gezeigt hast: wie ich ticke, was mich motiviert, wie und wann ich gut arbeite, was ich für ein gutes Leben brauche. Du hast mich so sehr über mich selbst hinauswachsen lassen.

Und es wird höchste Zeit, dass ich meinen Teil beitrage und dir endlich all das zurückgebe, was du verdienst. Meine ungeteilte Aufmerksamkeit, täglich zumindest ein bisschen. Meine oberste Priorität. Auch meinen Respekt, und dass ich dich vor mir selbst und vor Anderen nicht schlecht rede, sondern für all das feiere was du schon bist und noch werden wirst. Denn unsere gemeinsame Zeit ist begrenzt. Du darfst und sollst mich nicht für immer begleiten. Und weißt du was? Das ist gut so. Es ist nicht böse, dass ich mich auf unsere näher rückende Trennung freue. Denn wenn dieser Tag da ist, habe ich meinen Beitrag geleistet. Mit allem, was du mir gegeben hast, werde ich dich so gut gemacht haben wie du sein kannst. Unser gemeinsames Ziel ist es und war es schon immer, dich groß genug werden zu lassen, dass du ohne mich in der Welt bestehen kannst. An dem Tag, an dem ich dich endlich da hinausschicke, haben wir das erreicht. Danach wirst du mich nicht mehr brauchen. Also sollte ich dich bis dahin mit so viel Liebe überschütten wie ich kann. Weil du es verdient hast, weil ich dich vermissen werde wenn du nicht mehr da bist, und weil ich ohne dich nicht wäre wer ich bin.

Ich kann dir nicht versprechen, dich immer zu lieben und jeden Moment mit dir zu genießen. Aber ich verspreche dir hiermit, dich in unserer verbleibenden gemeinsamen Zeit so sehr zu achten und zu würdigen wie ich kann. Auch an den Tagen, an denen du mich unendlich frustrierst. Ich verspreche dir, dass ich dich ans Ziel bringe. Du hast es verdient, und ich auch.
In diesem Sinne: ich hab dich lieb, meine Lieblings-Diss!

Deine Elisabeth

Elisabeth, (Linguistik)

Liebe Diss,

wir haben uns einander sehr langsam genähert, rückblickend erkenne ich, Du warst faszinierend, geheimnisvoll, charmant, ich war naiv, enthusiastisch und ziemlich mutig. Ich lernte Dich immer besser kennen, ich lernte, dass Du sehr anpassungsfähig bist, wenn ich will, widerstandslos wie Wachs in meinen Händen. Ich lernte, dass Du starke Reaktionen in meiner Umwelt hervorrufst, zu akzeptieren, wie sehr ich danach beurteilt werde, wie Du Dich entwickelst.

Als hättest Du weder Eigenleben noch Widerstandskräfte, sollte ich Dich vorantreiben, vollenden, formen, beherrschen. Du bist anspruchsvoll, einnehmend, Vernachlässigung strafst Du mit Liebesentzug. Ich habe mich für Dich entschieden, dennoch hadere ich oft damit, ob ich Dir gewachsen bin. Bin ich überhaupt beziehungsfähig, wenn eine Beziehung so sehr von mir abhängt? Wenn alles, was in der Beziehung passiert, nur ein Echo meiner Leistung ist? Bist Du mein Schatten oder ich Deiner?

Wann treten wir aus dem Schatten? Wir können beide nur gewinnen.

In Liebe, Katharina

 Katharina, Uni Leipzig 

Liebe Diss,

wir kennen uns noch nicht so lange,
doch dennoch hatten wir schon Phasen des Freuens und Bangens.
Hin und wieder weiß ich mit Dir nicht weiter,
doch Du zeigst mir immer wieder einen neuen Reiter.
Ich würde gerne mit Dir mehr Zeit verbringen,
denken, konstruieren und mit Thesen ringen.
Doch nicht immer haben wir die Möglichkeit,
oft fehlt es uns an der Zeit.
Doch wenn wir uns finden, dann blühen wir auf.
Mal einmal, mal mehrmals im Tageslauf.
Dann geht es auf und ab, nach Süden, Norden, Osten, Westen,
wir haben die Chance wirklich alles auszutesten.
Die Freiheit im eigenen Denken zu erkunden,
gemeinsam drehen wir so gerne auch mehrere Runden.
Mit Dir zusammen fühle ich mich gut,
es ist ganz egal was jemand anderes tut.
Lass uns treu bleiben und genügend Zeit füreinander nehmen,
das bringt uns zu einem ganzheitlichen Erleben.
Dafür will ich immer dankbar sein,
mit Kopf, Herz und Hand, nicht nur zum Schein.
Die Zukunft ist klar ungewiss,
doch Du bist und bleibst meine geliebte Diss.

L.B.

Liebste verhasste Diss,

zu diesem Valentinstag entscheide ich mich für dich. Nicht, dass ich nur positive Gefühle dir gegenüber hätte – bei weitem nicht. Du bist anstrengend, nervenaufreibend, unersättlich und vollkommen außer Kontrolle. Du bist ein waberndes Wesen, das keine klaren Grenzen hat und sich ständig in alle Richtungen selbst verändert und entwickelt, und nicht immer in die Richtung, in die ich will. Schließlich kann ich doch nicht überall gleichzeitig sein und aufpassen, was passiert!

Trotzdem schreib ich dir einen Liebesbrief. Weil du so ein fester Bestandtteil meines Lebens geworden bist, dass ich schon fast Angst kriege, dich abzuschließen und loszulassen, und ich mich frage, was ich ohne dich bin. In der beginnenden Schlussphase unserer Beziehung – denn dieses Jahr wird unser letztes zusammen sein – merke ich, dass meine Ambivalenz dir gegenüber immer stärker wird. Ich will dich lossein, wieder freier atmen, aber um das zu tun, muss ich dir gerade so viel Energie, emotionale, psychische, körperliche Energie widmen, dass du mir dadurch immer wichtiger wirst. Und ich merke, dass du mir Dinge beibringst, mich herausforderst, mich wachsen lässt. Ich kann – und muss – mich ständig an dir abarbeiten.

Wir werden in den nächsten 10 Monaten sehr viel Zeit zusammen verbringen, viel mehr als in den letzten drei Jahren, das muss sein, es geht nicht anders. Da sind Konflikte vorprogrammiert, wir werden uns gegenseitig auf die Nerven gehen. Die Möglichkeiten uns aus dem Weg zu gehen werden immer begrenzter. Selbst wenn ichs versuche, wirst du es mir nicht leicht machen. Wir werden auch Abende und Wochenenden zusammen verbringen. Also lass uns einen guten Weg finden, das zu tun, sodass wir beide gesund und glücklich bleiben, okay? Lass uns unsere nervigen Angewohnheiten gegenseitig akzeptieren, unsere kapriziösen Phasen, unsere deprimierten Tage, an denen wirs uns einfach nicht recht machen können, okay? Lass uns zusammen unsere Lieblingssnacks bereitstellen und die Endphase auch ein bisschen genießen, zusammen lachen und weinen, zwischendurch mal gute Musik hören und tanzen, solange wir uns noch haben!

Deine Laura

Liebe Diss,
das ist mein erster Brief direkt an Dich gerichtet – nicht über Dich oder Texte für die Arbeit – einfach nur ein paar Zeilen, wie ich mich mit Dir fühle und warum ich Dich überhaupt ausgewählt habe.

Du bist mein persönlicher Think Tank für spannende Themen, die ich in meinem Berufsalltag nicht ausreichend würdigen kann. Du bist mein Think Tank für meine fachliche Neugier, die ich mit Dir stillen kann – immer und überall, wenn ich es möchte. Und das Beste an Dir – Du bist immer da und gehörst nur mir allein. Wir haben auch schon eine kleine Auszeit genommen und Abstand gewonnen. Diese Pause war aber wichtig, um Dich wieder schätzen zu können und bewusster mit Dir umzugehen.

Ich möchte Dich behutsam und Schritt für Schritt begleiten in die verschiedenen Lebensphasen, die Dir noch bevorstehen und in denen ich Dich wachsen lasse und meine Neugier zu Deinem Wachstum beitragen. Dabei kommt es mir nicht auf Quantität, sondern auf die Qualität an, die Du erhalten sollst. Ich möchte Dich stolz als jungen Erwachsenen ins Leben schicken und wenn Du dann Deinen Weg nimmst, werde ich bestimmt auch wehmütig an unsere gemeinsame Zeit zurückdenken.

Aber bis dahin möchte ich die intensive Zeit mit Dir genießen und Dich als einen beständigen Begleiter an meiner Seite wissen. Du gibst mir durch Deine zurückhaltende Art Zeit und Raum, um Dich in meinem Tempo weiterzuentwickeln und stärkst mein Selbstwertgefühl. Dafür möchte ich Dir danken und freue mich sehr, dass Du da bist und auf die kommenden Wochen und Monate.

Claudia, Medienmanagement

Liebe Diss,

Du hast mir geschrieben, dass Du unsere Beziehung professionalisieren willst, dass Dir das alles zu emotional und anstrengend ist mit mir. Ich denke, Du hast Recht, wir sind viel zu sehr miteinander verknotet.

Aber es ist nicht leicht, Dich loszulassen. Du bedeutest mir sehr viel, weißt Du? Nein, ich glaube, das weißt Du nicht.

Unser Kennenlernen war zäh und langwierig. Ich habe Dich schon länger aus der Ferne angehimmelt und mich für Dich interessiert. Aber bei jeder Erkundigung, die ich über Dich eingeholt habe, schienst Du ferner von mir wegzurücken. So viele Steine lagen da im Weg. Mein Fachhochschulabschluss, meine Berufstätigkeit, meine vielen kleinen Kinder. Das schien einfach nicht zu passen mit uns beiden – zu verschieden. Doch so ganz habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben und mich auf ein Stipendium beworben und plötzlich stolperten wir Hals über Kopf in unsere aufregende – und, ich gebe es zu, oft anstrengende und nervenzehrende – Beziehung. Ich wurde angenommen als Promotionsstipendiatin und fand sofort 2 Betreuerinnen für dich und mich. Ich weiß noch genau, wie glücklich ich damals war, geradezu euphorisch. Eine neue Welt öffnete sich für mich an Deiner Seite. Seitdem sind wir zusammen, seit nun schon mehr als sieben Jahren.

Ich sehe schon auch, dass wir uns teilweise in ungesunde Abhängigkeiten voneinander verstrickt haben. Auch ich würde Dich manchmal gerne los sein und sehne mich nach Freiheit. Aber ich spüre auch tiefe Gefühle – Euphorie, wenn es gut läuft, Wut und Angst nicht zu genügen, wenn es mal wieder schwierig ist. Diese Angst kennst Du auch, das weiß ich, wir teilen sie miteinander. Und nie lassen wir uns in Ruhe. Du nimmst mir manchmal die Luft zum Atmen und ich denke viel zu oft an Dich, auch wenn wir gerade keine Zeit miteinander verbringen.

Wahrscheinlich ist das Beste, wir trennen uns. Aber lass uns das, was wir miteinander haben, zu einem guten Ende bringen. Unsere Liebe war (und ist) wild und groß und stark. Du forderst mich immer wieder auf, weiter zu wachsen, über das Altbekannte hinaus. Durch Dich habe ich interessante Menschen kennengelernt und auch viel über mich. Du bringst mich dazu, neue Kammern in meinem Kopf aufzuschließen und darin herumzuwandern. Du hast mir beigebracht, das Denken zu lieben und es bis ins Letzte auszuschöpfen und das zu genießen. Zusammenhänge zu erkennen und eine Sprache zu finden für das, was ich erkenne.

Gemeinsam bringen wir Neues hervor. Du bist ein Teil von mir und ich ein Teil von Dir. Lass uns den Rest des Weges gemeinsam gehen, bis wir beide sagen können: Danke für die Zeit. Es war schön und gut und wichtig und nun gehen wir eigene Wege. Danke, dass ich an Dir und mit Dir wachsen durfte. Du wirst immer ein Teil von mir sein, aber wir müssen einander los lassen.

In Liebe,
Katjuscha

Liebe Dissertation,

Du weißt, Du bist meine absolute Leidenschaft. Dein Thema fesselt mich seit über 20 Jahren und ist schon so viel länger in den Medien.

Die neuesten Erkenntnisse zum Klimawandel und den Plänen zur Energiewirtschaft lassen uns beide einfach nicht in gemütlichen Gewässern schippern – es fühlt sich zwischendurch wie ein wahrer Sturm und ein Wettlauf gegen die Zeit an.

Ich weiß, ich habe Dich seit dem Krieg in der Ukraine sehr vernachlässigt. Aber mein Schock über das, was kam und sich immer noch ändert hat mich tatsächlich so tief bis ins Mark getroffen, dass ich kurz nicht Mal mehr wusste, ob es noch weiter Sinn macht mit Dir unseren nun schon 5-jährigen Weg weiter zu gehen.

Aber wie heißt es so schön im Rheinland: Et hätt noch immer jot gegange.

Also bin ich aufgestanden, habe mein Krönchen gerichtet, mich mit meinem Doktorvater hingesetzt und alle Optionen durchgesprochen. Aufgeben war keine davon, denn ich will unsere Beziehung noch nicht aufgeben sondern darum kämpfen. Andere und sicherlich auch neue Sichtweisen wurden diskutiert und überlegt, wie dass was ich bisher hatte, doch noch weiter verwendet werden könnte.

Mein ursprüngliches Ziel, Dich bis Ende letzten Jahres fertig zu stellen, hat sich verschoben. Aber ich habe eine Menge gelernt in Hinblick auf Flexibilität, Kommunikation, Geduld und Innovatives Denken.

Lass uns gemeinsam dieses Jahr rocken und uns nächstes Jahr feiern!

In Liebe, Charlotte (Energiewirtschaft)

Liebe Diss,

ich glaube, uns ist beiden bewusst, dass wir in erster Linie eine Vernunftehe führen. Ich hatte eigentlich nie den Wunsch zu promovieren und fand schon meine Examensarbeit einfach nur nervig und anstrengend. Doch dann bot sich nach einer ersten beruflichen Niederlage die Möglichkeit an der Universität zu arbeiten und ich wollte und brauchte damals unbedingt diesen Job.

Also sagte ich im Vorstellungsgespräch sofort „ja“ als ich gefragt wurde, ob ich denn auch bereit wäre zu promovieren, denn es war nun einmal eine Qualifikationsstelle. Ich wusste damals überhaupt nicht, was es heißt zu promovieren und kannte kaum den Unterschied zwischen qualitativer und quantitativer Forschung. Der Job war und ist auch heute noch mein Traumjob. Anfangs fühlte es sich an wie „bezahltes Studieren“ und ich fuhr zu Tagungen, Weiterbildungen und nahm alles mit, was mir angeboten wurde. Alles war interessant, machte großen Spaß und ich war damit sehr zufrieden.

Thematisch mussten wir uns erst einmal finden und es dauerte fast zwei Jahre bis ich endlich richtig angefangen habe mich dir intensiver zu widmen. Auch ging ich immer wieder „fremd“ und statt fokussiert an meiner Dissertation zu schreiben, schob ich dringende Termine vor, fuhr durch die Republik zu irgendwelchen interessanten Workshops, traf mich mit Kolleg*innen zum Lunch oder das Leben kam einfach dazwischen. Die Zeit verging und das schlechte Gewissen wuchs.

Und dann trat meine größte Liebe in mein Leben: Meine Tochter wurde geboren, ich schwebte auf Wolke Sieben und mein Leben drehte sich nur noch um mein Baby. Dich habe ich in dieser Zeit komplett links liegen lassen und als ich aus dem Hormonrausch erwachte und zurück in den Arbeitsalltag kam, musste ich mich entscheiden – weitermachen oder nicht?

Unsere erste große Krise voller Zweifel und ohne Kraft und Motivation. Dann folgten die nächsten Krisen: die Trennung vom Vater meine Tochter, die Corona-Pandemie, … Ich hatte große Schwierigkeiten überhaupt meinen Kopf über Wasser zu halten in dieser Zeit. Geschweige denn hatte ich die Kraft, Nerven und Zeit zu promovieren. Doch die Zeit und das schlechte Gewissen drängten immer mehr und ich musste mich endgültig entscheiden: Ja oder nein? Jetzt oder nie? Sollen all die Jahre umsonst gewesen sein?

Die Gedanken an das Abbrechen waren befreiend und schmerzhaft zugleich. Wollte ich diese Chance zu promovieren wirklich einfach verstreichen lassen? Ich entschied mich dazu weiterzumachen, um mir in erster Linie selbst zu beweisen, dass ich es schaffen kann. Ich will damit auch meine alten Glaubenssätze und die Angst vor dem Scheitern besiegen. Und ich hoffe, dass eines Tages auch meine Tochter ein bisschen stolz auf mich ist, wenn sie versteht, was eine Doktorarbeit ist.

Also beiße ich nun meine Zähne zusammen für diesen letzten Endspurt und dieses letzte mögliche Jahr. Das Ziel ist schon in Sichtweise. Ich schaffe das. Denn es waren sehr intensive Jahre mit dir zusammen, mit vielen schönen Momenten, ich habe auf diesem Weg viel gelernt, inspirierende Wegbegleiter*innen getroffen und Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind. Und vor allem bin an dir gewachsen. Und wenn ich diesen Titel führen darf, bleiben wir auch ein Leben lang zusammen.

Was liebe ich eigentlich an dir? In erster Linie bist du nicht nur ein Projekt, sondern du bist mein Projekt. Ich habe das Thema, die Fragestellung, das Vorgehen, etc. selbst gewählt und lange überlegt. Diese Gestaltungsfreiheit liebe ich an dir. Auch die Freiheit, dass ich an dir arbeiten und schreiben kann, wann und wo ich will. Diese Freiheit ist großartig, aber manchmal hat diese Freiheit auch seine Tücken. Und wie so typisch für Vernunftehen ist unsere Beziehung nicht immer sehr leidenschaftlich und manchmal fällt es mir auch schwer dich zu lieben.

Manchmal bist du mir sogar echt sch…egal. Das ist dann zwar nicht sehr motivierend, aber auch ein Vorteil einer Vernunftehe. Denn wir ersparen uns diese Achterbahn der Gefühle und ich muss nicht regelmäßig wegen dir heulen, wie es einigen meiner Weggefährt*innen ergeht. Die sogar Schlafstörungen, Angstzustände, depressive Verstimmung oder gar ein Burnout wegen ihrer Dissertation bekommen.

Nein, so wichtig bist du mir nun auch nicht. Vielmehr erkenne ich nach Zweifeln, was für eine tolle Entwicklungschance unsere Beziehung doch ist, für uns beide. Du entwickelst dich mit der Zeit, nimmst immer mehr Form an und ich – ich entwickele mich beim Schreiben. Nicht nur fachlich, sondern insbesondere in meiner Persönlichkeit, meinen Stärken und im Umgang mit meinen Schwächen (wie Ausdauer, Selbstdisziplin, …). Und das ist mir fast noch mehr wert als das finale Werk, was ich hoffentlich bald in den Händen halte.

Und dafür danke ich dir. Und übrigens… auch wenn ich manchmal schon betriebsblind werde, höre ich immer wieder auf Tagungen oder nach Vorträgen, was du doch für ein interessantes Thema bist. Die ersten fragen schon gespannt nach der Veröffentlichung. Wow! Und ich dachte immer, es interessiert niemanden, was ich da mache und schreibe. Also… auf geht’s! Das Finale naht! Und alle warten auf uns…

Jana

Liebe Vanessa,

ich bin Deine Dissertation und ich möchte mich malwieder bei Dir melden.

Wir sind nun schon so lange zusammen, dass es Dir vielleicht manchmal schwer fällt, Dich daran zu erinnern, warum Du Dich einst für mich entschieden hast und was mich für Dich so interessant gemacht hat am Anfang. Ich habe gemerkt, dass es Dir in letzter Zeit oft so vorkommt, als ob ich Dir gar nicht mehr gut tue und statt positiver Gefühle fast nur noch Frust, Angst, Druck und Ablehnung in Dir auslöse.

Aber ich bin heute hier, um Dich zu bitten: Don’t give up on me! Ich bin immer noch da. Ich bin immer noch dieselbe Quelle an Inspiration und Freude, an Kreativität und spannenden, relevanten Erkenntnissen.

Bitte lass Dich wieder auf mich ein. Ich vermisse Dich. Ich möchte noch so viel mit Dir zusammen machen. Denk nicht nur an mich in dem Sinne, dass Du mich loshaben und schnellstmöglich erledigen willst. Erinnere Dich: Es macht so viel Spaß mit uns beiden. Ich hab Dich lieb!

Deine Diss

Liebe Diss,

befanden wir vor mehr als drei Jahren noch in den Untiefen des Mariannengrabens, nicht wissend wonach suchend und nicht ahnend, wie lange diese Tauchexpedition dauern sollte, können wir heute, dank des unermüdlichen Einsatzes einer veritablen Tiefsehtauchertruppe [sic!] wieder auf ein Leben auf dem Festland hoffen!

Ich freue mich darauf, den ein oder anderen gefundenen seltenen Stein (vielleicht ist auch eine Perle dabei) mit an die Oberfläche zu nehmen und endlich bei Lichte betrachten zu können! Beim Finden haben uns natürlich auch die ollen Schmöker (vgl. Neptun 2023: 23) geholfen! Ich bin sehr gespannt, was die Tiefsehkommission [sic!] dazu sagen wird… Wir werden in jedem Fall unsere Fundstücke mit Zähnen und Klauen verteidigen!

Womöglich trennen sich unsere Wege dann, who knows…

In tiefer Verbundenheit, deine Christina

Christina Cazzini, Soziale Arbeit, Hochschule Fulda

Ich habe dich nicht gesucht, aber du hast mich gefunden. Jetzt gehören wir zusammen. Du inspirierst und kritisierst, du eröffnest meinem Denken Horizonte und lehrst meiner Gewissenhaftigkeit Entscheidungsmut. Wenn du mich nicht gefunden hättest, wäre mein Leben weniger anregend.

Ann-Katrin, Kassel

Liebe Diss,

wie du weißt, halte ich nichts vom Valentinstag – an dem Tag habe ich Anderes vor (mit Kuchen und ohne dich. Bitte entschuldige!). Ich möchte nun, eine Woche vorher, den Moment nutzen, uns zu reflektieren und meine Gedanken mit dir zu teilen.

Leider melde ich mich selten so direkt bei dir. Warum genau? Zu dieser Frage suche ich aktuell noch ein wenig die Antwort. So sehr ich dich und unsere Herausforderungen schätze, so schwingen auch meistens viele Bedenken mit: Ich möchte es richtig und gut machen und möchte Fehler umgehen. Auch möchte ich Sackgassen und Fettnäpfchen meiden.
Ich verstecke mich oft dahinter, dass ich nicht an dir, sondern an einzelnen Forschungsfragen oder –themen arbeite. Das tut mir wirklich leid! Sieh diesen Brief als ersten Schritt es ab nun besser zu machen, denn all diese „Einzelfragen“ bringen uns weiter und weiter.

Du machst mich schwach und stark, so will es die Liebe. Ständig lerne ich dazu und dann überwiegt die Stärke – also meistens. Wieso das meistens? Zum Beispiel bringst du meinen Musikgeschmack etwas außer Rand und Band – mein Spotify weiß schon garnichtmehr was man mir empfehlen soll – so verbringen wir gemeinsam Zeit mit klassischen Symphonien, Indie, Pop, Sondwritern auf Sprachen die wir nicht verstehen (da versteht man so wenig, dass man so gut konzentriert schreiben kann) und laut den Vorschlägen auch Rap, Reggea und Rock.
Auch wenn ich es mir öfter zerdenke. Pragmatisch gesagt: es wird!

(Anonym, Verfasser:in bekannt)

Liebe Diss,

seit fast sieben Jahren haben wir uns an der Backe. Gemeinsam sind wir durch Höhen und Tiefen gegangen. Du warst widerspenstig, hast es mir nicht einfach gemacht. Mein Plan war doch gut durchdacht, ich hatte Erfahrung in der Arbeit mit Metagenomdaten. Bei mikrobiellen Gemeinschaften aus Biogasanlagen war alles so einfach. Aber Ackerboden ist eben divers und komplex.

Ich musste Terrabytes an Daten jonglieren, bin sogar an Grenzen der Rechenkapazität des Instituts gestoßen! Durfte umdenken und kreativ werden, um Ergebnisse zu sehen. Eigentlich ja genau was ich mag – Vielfalt, Herausforderung und Kreativität! Durch dich hab ich am movement Mentoring für Doktorandinnen der Uni Bielefeld teilgenommen. Was war das für ein Glück! Ich konnte über meinen Tellerrand schauen, andere Disziplinen kennenlernen und hab dadurch so viel mitgenommen.

Ich hab während unserer Zeit zwei Kinder bekommen! Beim ersten Kind hast du mir noch so dringend gewirkt, dass ich direkt nach dem Mutterschutz weitergemacht habe. Erinnerst du dich an den Studenten, den wir in dieser Zeit bei seiner Bachelorarbeit begleitet haben? Beim Lehren lernt man am meisten, hab ich dabei gelernt. Und das war einfach genial, jemanden an Bord zu haben der so mitdenkt, voller Tatendrang ist. Als ich ihn mit dem Star Wars Zitat „Geduld, junger Padawan.“ bremste, habe ich gemerkt dass du mir auch Geduld gelehrt hast. Die eigentlich gar nicht meine Stärke ist. Beim zweiten Kind konnte ich dich loslassen. Die Elternzeit hat uns beiden gut getan. Ruhen und reifen lassen. Mit ganz anderer Perspektive und neuem Elan wieder ran.

Dann hatten wir die bescheuertste Idee überhaupt. Kumulativ. Zwei Veröffentlichungen hatten wir ja schon, unser Doktorvater hat schon grünes Licht zum Zusammenschreiben gegeben. Aber da war noch diese Idee für eine dritte Arbeit. Doktorvater überzeugt, also ran an den Speck. Musste es eine Metastudie werden?! Das ist doch vom Umfang eine zweite Diss! Statt nur einem Bodenmetagenom, gleich zwanzig aus ganz Europa. Klang erstmal gut.

So vielen Drachen, die wir auf dem Weg besiegen mussten. Aber wir haben es durch Vernetzung und proaktive Suche nach Mitstreitenden geschafft – es ist gut geworden! Nebenbei hatte ich durch dich ja auch noch diese Kinderbuchidee. Irgendwie muss ich meinen Kindern ja erklären, was Mikroorganismen sind und was ich da forsche. Also „Bakterien und so, die leben wo?!“ geschrieben, erfolgreich mit Crowdfunding finanziert und inzwischen veröffentlicht. Zählt die Uni das eventuell auch als Publikation? 😉 Jetzt schreibe ich dich gerade zusammen. Habe Spaß daran, graphische Zusammenfassungen zu erstellen und lerne neu dich zu lieben.

2023 ist unser Jahr. Du bsit fast fertig. Ich reiche dich bald ein, verteidige dich vor der Kommission und hol mir mit dir meinen wohlverdienten Titel. Wie sich das wohl anfühlen wird?

In tiefer Dankbarkeit über all das, was du mich gelehrt hast und mir ermöglicht hast
– Johanna

Johanna Nelkner, AG Genomforschung industrieller Mikroorganismen, Fakultät für Biologie, Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld