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Schreibroutine in der Promotion

 

Viele Promovierende haben den Wunsch, eine Schreibroutine zu entwickeln. Aber warum und für was genau brauche ich eine Schreibroutine in der Promotion? Was genau soll diese Schreibroutine beinhalten, sind es Arbeitstechniken, sind es Schreibstrategien oder sind es festgelegte Arbeits- und Pausenzeiten? Oder sind es Personen, mit denen ich mich zum Arbeiten verabrede? Wie will ich es machen? Und vielleicht auch noch mit wem will ich’s machen? Was brauche ich genau? Über diese und andere Fragen habe ich mich mit der geschätzten Kollegin, Dr. Eva-Maria Lerche vom Schreibraum Münster, ebenfalls Schreibtrainerin, unterhalten. 

Über die Schreibroutine in der Promotion und andere Fragen habe ich mich mit der geschätzten Kollegin, Dr. Eva-Maria Lerche vom Schreibraum Münster, ebenfalls Schreibtrainerin, im Podcast/Episode 61 unterhalten. 

Der Text ist das gekürzte und bearbeitete Transkipt der 61 Episode des Coachingzonen-Podcast „Erfolgreich promovieren“

Eva Lerche

Schreibroutine in der Promotion: was ist das?

Eva Lerche: Genau genommen weiß ich gar nicht, ob es „die“ Schreibroutine gibt. Ich glaube vor allem, dass es wahrscheinlich so viele Schreibroutinen, wie es Schreibende gibt. Alle haben unterschiedliche Wege und es ist bei einer Promotion schwer abzuschätzen, wie viel man schaffen kann. Auch Zeitpläne sind nicht einzuhalten, weil man nicht weiß, wie lange man für etwas braucht. Und bei einer Dissertation ist der Zeitrahmen unbestimmt und es gibt oft keine verbindliche Deadline. Außerdem ist promovieren meistens eine Balance zwischen der Arbeit an der Dissertation, der Berufsarbeit, der Lehre und der Familienarbeit. Und beim Schreiben der Dissertation gibt es meistens keinen Start- und keinen Endpunkt.

Jutta Wergen: Schreibroutine bedeutet dann zunächst, eine Routine der Schreibzeit zu haben.

Eva Lerche: Ja, auch. Wenn ich an meine Promotionszeit zurückdenke, dann hatte ich eine Schreibroutine, morgens habe ich ausgeschlafen, dann bin ich ins Büro gegangen. Ich hatte eben das Glück, dass ich ein Büro hatte und habe meist so um 10 Uhr angefangen, vorher habe ich mir dann erst noch einen Tee gekocht. Das war immer so der Einstieg. Vielleicht noch mit irgendwem aus dem Institut geredet und dann gearbeitet bis zur Mittagspause. Dann war klar, dass wir zusammen Mittagspause machen. Danach dann nochmal weiter, bis zu einem festen Arbeitende gab. Einfach weil es dann ungemütlich wurde, in dem Gebäude. 

Und das war meine Routine, ich musste da nicht jedes Mal wieder neu mit mir verhandle, wann und wie ich schreibe. Dann gab es zwei Archiv-Tage pro Woche. Die waren bestimmt von den Öffnungszeiten des Archivs und da wurde auch nicht diskutiert, sondern die standen einfach fest.

Jutta Wergen: Ich glaube, mir würde eine feste Arbeitszeit nur bedingt helfen. Ich wäre zwar da, aber arbeiten würde ich wahrscheinlich nicht, ich bräuchte mehr als einen festen Zeitrahmen. Ein fester Zeitpunkt hilft beim Anfangen und dabei, mit Gewohnheiten den Anfang zu erleichtern und einfach automatisch.

Eva Lerche: Für jede Person ist Routine ja auch anders, manche haben zwei Stunden zur Verfügung, manche mehr und manche können auch erst abends an ihrer Dissertation schreiben. Routine heißt ja nicht, dass ich jeden Tag von morgens bis abends arbeite, sondern es kann auch heißen, ich setze mich einmal in der Woche dran, weil mehr nicht möglich ist. Und auch wenn man nur eine oder zwei Stunden an der Dissertationschreiben kann, trotzdem passiert aber da was und es geht immer Stück für Stück weiter. Es ist nicht wichtig, immer fünf Tage die Woche, acht Stunden zu arbeiten, es soll nur regelmäßig sein. Auch damit es irgendeine Regelmäßigkeit gibt, damit ich eben nicht jedes Mal wieder mit mir selber verhandele. Will ich jetzt an der Dissertation schreiben oder will ich nicht?

Und dann brauche ich einen bestimmten Rhythmus. Beispielsweise war es bei mir so, dass ich, wenn ich angefangen habe, immer erst mal überarbeitet hab, was ich am Tag vorher geschrieben habe und dann erst eigentlich am Ende wieder in so einen Schreib-Flow gekommen bin, etwas Neues zu schaffen. Das war schon so eine Aufteilung. So die ersten zwei Drittel des Tages überarbeiten und dann noch ein Drittel neu schreiben.

Jutta Wergen: Für manche, also für manche, ist ja Routine, erstmal den PC anzumachen und die Mails abzurufen und erstmal alle Sachen zu lesen, die man so liest.

Eva Lerche: Ja und es kann aber auch eine gute Routine sein, erstmal die E-Mails zu bearbeiten und dann in Ruhe an die Dissertation zu gehen. Dann hat man ja schon etwas geschafft. Dass das ja immer Tätigkeiten sind, die dann einfach auch mal abgeschlossen sind, während die Dissertation, die ist ja einfach nie fertig. Und das ist dann manchmal auch einfach dieses Gefühl brauch von jetzt habe ich schon mal was geschafft, jetzt habe ich schon mal was abgeschlossen.

Jutta Wergen: Zum Thema Routine ist ein Anfangsritual wichtig ist, beispielsweise ganz in Ruhe eine Tasse Kaffee oder Tee zu trinken.

Eva Lerche: Ich kenne beispielsweise eine Person, die geht dann immer vorher auf dem Balkon eine rauchen und sich so bewusst Zeit für sich zu nehmen zum Sammeln, zum Nichtstun. Und das können fünf Minuten sein oder eine halbe Stunde, um einen guten Start zu haben, um diesen Einstieg besser zu gestalten.

Jutta Wergen: Ich muss dann für eine Schreibroutine vorher schon wissen, was ich zu tun habe, am besten schreibe ich es mir vorher auf. Sonst sitze ich da und prokrastiniere.

Eva Lerche: Und auch da gibt es ja ganz verschiedene Möglichkeiten. Ich kann das als To Do-Liste machen. Ich kann das mit so einem Kanban-Board machen. Oder mal mit einem Clustering beginnen. Und die Art der Startaufgabe dann der jeweiligen Situation anpassen.

Jutta Wergen: Was würdest Du als gute Schreibroutine bezeichnen?

Eva Lerche: Ich würde schauen, was individuell passt. Was kann die Person bewältigen, was ist realistisch?

Es gibt kein Patentrezept. Manchmal ist der Wunsch nach Schreibroutine ja auch ein ganz anderes Problem. Vielleicht gibt es Konflikte mit der Promotionsbetreuung oder andere Themen. Oder eigentlich zweifeln Sie, ob sie überhaupt fertig promovieren möchten. Also da auch so ein bisschen zu hinterfragen ist, ist dieser Wunsch nach Routine. Ist es das Symptom oder das Problem?

Jutta Wergen: Ja und ich glaube, dass das Bedürfnis nach Regelmäßigkeit und Planbarkeit schon da ist. Sehr viel Energie geht in das Gefühl, dass man eigentlich schon weiter sein müsste. Es gibt einen Wunsch nach Routine. Einerseits nach festen Zeiten und andererseits zur Schreibroutine als Tätigkeit.

Jutta Wergen: Und da sollte man überlegen, was Tätigkeiten sind, die man machen könnte um anzufangen, wie beispielsweise Lesen oder aufräumen. Ich merke beispielsweise, dass ich wirklich ein besseres Gefühl hab und viel motivierter bin, wenn ich aufgeräumt habe.
Und Schokolade bereitlegen. Und dann schon beim Tee kochen überlegen, was man so schreiben möchte, oder?

Eva Lerche: Was ruft eigentlich diesen Wunsch nach Routine hervor. Und vielleicht sollte man überlegen, ob das Ziel denn überhaupt realistisch ist.

Jutta Wergen: Ich denke, dass der Wunsch nach einer Routine der Wunsch nach einer Regelmäßigkeit, nach einer Überprüfbarkeit, dranzubleiben und nicht irgendwie das Gefühl zu haben, schon lange nichts mehr gemacht zu haben, also der Wunsch, ein gutes Gefühl zu haben, kommt.

Eva Lerche: Vielleicht geht es auch darum, gegenüber anderen sagen zu können, beispielsweise der Promotionsbetreuerin oder Kollegen und Kolleginnen gegenüber, dass man sein Bestes gibt und wie viele Stunden pro Woche gearbeitet wird.

Weiß nicht, wenn die Betreuerin nachfragt oder Freundinnen, Freunde oder Kolleginnen sowas machst du nicht dann sagen kann Ja, so quasi, dass Ich mein Bestes gebe. Denn das kann natürlich auch dahinterstecken. Und dann werden wir wieder bei dem Thema, das es wirklich, dass die Routine erst einmal bedeutet, dass ich mir wirklich feste Zeiten schaffe, in denen ich schreibe und die ich eben auch nicht mehr immer in Frage stelle.

Genau wo ich auch die ganze Energie. Soll ich das jetzt? Und ach was soll ich dann machen, wo es einfach weg ist, weil klar ist, zu dem Zeitpunkt sitze ich da, was nur Routine sein könnte. Ich Nein, eigentlich ein Ritual. Aber was z.B. so manchmal hat man ja auch das Problem, dass man so oder am Promovierende das Problem hab ich von gehört, dass die so nach außen legitimieren müssen. Ich, ich, ich mache jetzt hier was wichtiges, dass man z.B. auch sagen könnte ok.

Jutta Wergen: Lass uns mal überlegen, was Routinen sein könnten. Einerseits ist der Zeitpunkt, an dem man anfängt zu arbeiten bereits eine Schreibroutine der Promotion. Es könnten neben einer festen Schreibzeit oder einem festen Arbeitsbeginn auch die Personen sein, mit denen ich mich zum Arbeiten verabrede und die Orte sein, an denen ich schreibe.

Eva Lerche: Und es können Methoden und Techniken sein, die ich verwende. Dann zu überlegen, was hilft mir dann ganz konkret mit dem Schreiben zu beginnen? Beispielsweise je nach Schreibphase z.B. alles runterschreiben, oder sind das z.B. Morgenseiten oder ist das so ein Blitz-Exposé oder mache ich ein Clustering? Und das heißt natürlich, dass ich eine Schatztruhe an Schreibstrategien benötige. Und auch Austausch ist ein Teil von Schreibroutine, einen freundlichen kollegialen Austausch einfach stärker einzubauen als ein Teil der Routine.

Jutta Wergen: Pausen gehören ebenfalls zur Schreibroutine. Damit meine ich nicht, dass man etwas vor dem Monitor isst, sondern wirkliche Bildschirmpausen wahrzunehmen.

Eva Lerche: Ja, es reicht ja vormittags zwei Stunden und nachmittags zwei Stunden zu schreiben. Dann darf ich auch legitim Feierabend machen. Und dann noch diese Pausen zu planen und zu unter den Feierabend zu planen, zu gestalten. Und auch wenn man nur eine Stunde pro Tag hat, oder vielleicht sogar nur eine Stunde pro Woche oder vielleicht sogar nur eine Stunde pro Monat. Einfach, damit eben der Anspruch nicht zu groß ist, was überhaupt zu schaffen ist, damit ich auch nicht immer unzufrieden rausgehe.

Jutta Wergen: Vielleicht könnte zur Routine auch gehören, sich Freiräume zum Denken zu schaffen .

Eva Lerche: Auch ein Gedanken-Spaziergang kann eine Schreibroutine sein.

Jutta Wergen: Wenn etwas so komplex wie die Dissertation ist, braucht man einen Freiraum. Und trotzdem regelmäßig dranbleiben. Beispielsweise, dass man jeden Tag eine Datei aufmacht, dass man jeden Tag irgendwie mal drüber nachdenkt.

Eva Lerche: Gute Idee! Und was mir da gerade noch einfällt ich glaube, es hängt auch sehr stark davon ab, in welcher Phase der Dissertation jemand ist. ich bin. Der Dissertation. Ich hatte in der Anfangsphase ja eben schon gesagt, da hatte ich zwei Archiv Tage und einen Lese-Tag. Dann hatte ich noch 2 Tage meine Stelle für die ich bezahlt wurde geblockt und dann habe ich 2 Tage Wochenende. Das waren dann schon 4 Tage, an denen ich nicht an der Dissertation gearbeitet habe. Am Anfang ging das noch, später war es dann schwierig. Da muss ich dann schauen, welche Routine für welche Phase der Dissertation passt.

Jutta Wergen: Ok, fassen wir zusammen: Erstens muss ich überlegen, aus welchem Grund ich eine Schreibroutine möchte, was genau das Ziel dieser Routine sein soll. Wenn es das Ziel ist, mich länger und öfter mit meiner Dissertation zu beschäftigen, habe ich dann auch schon einen Teil der Lösung, weil ich dann genau weiß, was ich brauche.

Eva Lerche: Und dann kann es sein, dass ich eine Vielfalt an Methoden und Techniken brauche, um das Ziel zu erreichen. Zu gucken, welche Strategien zu den spezifischen Arbeitsschritten meiner Dissertation passen vielleicht eher zum Schreiben. Welche passen eher zum Überarbeiten, welche passen vielleicht eher zum Lesen? Also da auch nochmal zu gucken.

Jutta Wergen: Ob ich alleine arbeiten möchte, oder ob es mir hilft, mich mit anderen zum arbeiten zu verabreden.

Eva Lerche: Und damit verbunden auch noch mit anderen drüber zu reden. Also wirklich raus aus dem stillen Kämmerlein und mit anderen über das Schreiben rede, über Selbstfürsorge oder eben auch inhaltlich über die Themen reden. Und auch das als ein Teil der Routine sehen, dass ich mich nicht so vergrabe.

Es ist auch wichtig, die Schreibroutinen regelmäßig zu überprüfen. Passt es noch oder muss ich etwas ändern? Brauche ich neue Strategien?

Jutta Wergen: Es ist legitim, sich Zeit für das Nachdenken über Routinen zu nehmen und auch ein bisschen auszuprobieren, was dann jeweils passt.

Schreibroutine für die Promotion

Wenn Du Deine Schreibroutine für die promotion entwickeln willst, solltest du überlegen:

  • Warum und für was genau brauche ich eine Schreibroutine?
  • Was genau soll diese Schreibroutine beinhalten, sind es Arbeitstechniken, sind es Schreibstrategien oder sind es festgelegte Arbeits- und Pausenzeiten?
  • Oder sind es Personen, mit denen ich mich zum Arbeiten verabrede?
  • Wie will ich es machen?
  • Und vielleicht auch noch mit wem will ich’s machen?
  • Was brauche ich genau?
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