Wie promoviert man, wenn in dem Land / Promotionsthema ein Krieg ausbricht? Wie wirkt sich das auf das Leben und auf die Promotion aus? Wie wirkt es sich auf die Promotion aus, wenn die Datensammlung plötzlich nicht mehr möglich ist?
Krieg und Promotion
Wie der Krieg in der Ukraine Karens Promotion beeinflusst. In Blog und Podcast eine persönliche Geschichte, die eine Promotionskrise noch einmal anders beleuchtet: Ich spreche mit Karen Haak, die 2019 als Offizierin bei der Bundeswehr in die deutsche Botschaft nach Kiew versetzt wurde und dort 2 Jahre tätig war. Karen Haak promoviert berufsbegleitend über die Demokratie und das Parteisystem in der Ukraine.
Ich kenne Karen bereits seit ihrem Wunsch zu promovieren, habe mitbekommen, wie sie 2019 nach Kiew gezogen ist und wie sie Mitte 2021 auch wieder zurückkam. Eine Krise in ihrer Promotion erlebt Karen nun, als der Krieg im Februar 2022 in der Ukraine ausbricht. Darüber spreche ich mit ihr.
Der folgende Text ist ein kurzer, bearbeiteter Auszug des Podcast. Hört euch unbedingt im Podcast „Erfolgreich promovieren“ die Episode 141 an.
Die große Frage und das kleinere Promotionsthema
Das Promotionsthema stand für Karen schon eine ganze Zeit fest, um das Thema dann einzugrenzen waren dann einige wichtige Entscheidungen zu treffen.
Karen Haak: „Und die Frage, die mich von Anfang an fasziniert hat, war, wie demokratisch die Ukraine eigentlich ist, 30 Jahre nach ihrer Unabhängigkeit? Ist das jetzt eine Demokratie? Ist das, ist das so eine Demokratie, wie Deutschland eine Demokratie ist? Oder ist das etwas, was anderes, etwas Eigenes? Und diese große Frage, die hat mich fasziniert.“
Karen Haak musste aus ihrem Interesse für die Demokratie in der Ukraine eine bearbeitbare Forschungsfrage entwickeln. Sie fand eine Promotionsbetreuung, die sie dabei unterstützte, das Promotionsthema zu schärfen und ein Promotionsprojekt über das politische System in der Ukraine zu entwickeln.
Der Konflikt und Entwicklung des Promotionsthemas
Die Annäherung an das Promotionsthema hat deshalb so lange gedauert, weil Karen zunächst das System in der Ukraine verstehen musste. Dazu war auch ein Umdenken nötig.
Karen Haak: Ich habe zwei Jahre lang in der Ukraine gelebt. Und ich habe schnell begriffen, dass wir in Deutschland einen eurozentristischen Blick haben. Das scheint normal, wenn man in Deutschland aufgewachsen ist und hier auch politisch sozialisiert wurde und auch akademisch aufgewachsen ist. Dann hat man eine gewisse Sicht auf die Dinge und das ist weder verwerflich, noch kann man das anders handhaben. Man muss sich nur dessen bewusst sein. Und ich habe dann ganz bewusst versucht, mich von diesem Blick zu lösen und erst mal ganz viel über die Ukraine zu lernen und zu verstehen.
(…)
Der Konflikt in der Ukraine war immer omnipräsent. Ich habe nicht nur das System angeschaut, wie es sich jetzt darstellt, sondern ich habe tatsächlich auch viele Gespräche geführt über die Geschichte der Ukraine, über die Vergangenheit. Der Konflikt, der jetzt irgendwie omnipräsent ist und der in allen Gesprächen derzeit mitschwingt, auch der hat eine Vorgeschichte. Und auch der ist nicht 2014 plötzlich vom Himmel gefallen. Auch das ist etwas, was ich, was ich als eine aus der Historie heraus eine Vorgeschichte hat. Und von daher hat das ganz lange gedauert, bis ich mich meinem Thema genähert hatte.
Die Krise „Krieg“ in der Promotion
Promotionen sind von unterschiedlichen Krisen betroffen. Dass sich Kriege auf Promotionen in Deutschland auswirken, ist selten und betrifft oft nur jene, die beispielsweise aus Syrien, Irak, Armenien oder Afghanistan kommen oder diejenigen, die das Thema Krieg bzw. Friedensforschung in ihrer Promotion thematisieren.
Karen hat sich nicht auf die promotionsverändernde Situation vorbereiten können, weil diese dann plötzlich kam.
Karen Haak: Ich war nach 2 Jahren in der Ukraine überzeugt davon, dass es nicht zu einem großflächigen Angriff kommen würde. Auch wenn ich einen militärischen Hintergrund habe, habe ich mich trotzdem an diese ständige Drohkulisse in der Ukraine gewöhnt.
So hat auch der Krieg in der Ukraine einen Einfluss auf Karens Promotion, zumal sie diese Krise ihrer Promotion nicht voraussehen konnte. Nach dem Schock über den Kriegsausbruch kam dann die Frage, wie der Krieg in der Ukraine das Promotionsthema verändern wird.
Karen Haak: Also ich habe mir selbst verboten, über meine Doktorarbeit nachzudenken, weil ich dachte, das ist jetzt einfach viel zu unwichtig im Vergleich zu dem zu dem Thema des Krieges. Also das, da erschien mir meine eigene Forschung plötzlich völlig marginal und irrelevant. Und dieses furchtbare Gefühl, dieses bleierne Gefühl, möchte ich mal nennen, hat sich bestimmt so anderthalb Wochen gehalten.
Zu Beginn des Krieges hat Karen ihre Dissertation ausgeblendet und reflexhaft das gesamte Promotionsprojekt infrage gestellt. Problematisch war, dass sie das Thema zwar eingegrenzt und theoretisch fundiert hat, aber die Datensammlung in der Ukraine noch fehlte. Und mit dem Ausbruch des Krieges war die vorgesehene Datensammlung so nicht mehr möglich.
Karen Haak: Mir war dann völlig klar, dass die Leute, mit denen ich in die Empirie gehen wollte, jetzt einfach ganz andere Themen haben. Ich kann die jetzt nicht anschreiben, um sie über ukrainische Parteien zu befragen.
Eine Beratung durch die Promotionsbetreuung brachte Karen dazu, sich ihrem Promotionsthema wieder anzunähern.
Karen Haak: Und dass ich jetzt so jetzt wieder auch zur Promotion selbst zurückgefunden habe, verdanke ich auch meinem Promotionsbetreuer, mit dem ich vor ein paar Tagen ein sehr gutes Gespräch hatte. Er hat mich zu nichts gedrängt. Er hat mir Zeit gegeben und gewartet, bis ich das Thema an ihn herangetragen habe. Und er hat mich dann darin bestärkt, dass das Thema vielleicht ändert, aber auch jetzt relevant für die politikwissenschaftliche Forschung ist.
Das Thema schärfen und neu aufstellen
Wie sich das Promotionsthema weiterentwickeln wird, hat Karen Haak noch nicht endgültig beschlossen, einige Ideen dazu hat sie aber schon.
Karen Haak: Ich werde das Thema schärfen und in diesem Prozess werde ich jetzt Dinge mehr zuspitzen auf die eigentliche Partei, die hinter dem Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj steht. Ich werde mir mehr das Handeln anschauen, das, was gerade passiert. Regierungshandeln findet statt, auch wenn das ukrainische Parlament derzeit nicht tagt. Man untersucht Regierungshandeln, indem man sich Parlamente anschaut. Und obwohl gerade kein Gesetzgebungsprozess stattfindet, ist trotzdem Regierungshandeln zu beobachten.
Höre Dir das ganze Gespräch im podcast an:
Wie wir helfen können
Der Verein Brücke nach Kiew unterstützt Kinder mit Handicap. Der Verein feierte 2019 das 25-jährige Bestehen. Falls Du spenden möchtest:
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