Vier Bücher, die mich beim Schreiben inspiriert haben – und warum sie auch dir helfen können

Beim Schreiben und besonders beim wissenschaftlichen Schreiben geht es oft um das Produkt und nicht um den Prozess. Das gilt für viele Disziplinen, und im Studium und vielleicht auch während der Promotion fragt sich kaum jemand, wie die Worte aufs Papier gekommen sind, wie viel Zweifel, Schweiß und vielleicht sogar Tränen im Produktionsprozess des Textes enthalten waren.
Ich möchte hier vier Bücher vorstellen, die auch wissenschaftlich Schreibenden helfen, obwohl es sich nicht um klassische Schreibratgeber, wie beispielsweise das Buch „Die Doktorarbeit: 180 Seiten Rückenwind“ handelt. Es sind allesamt Bücher, die das Schreiben in den Mittelpunkt stellen und die auf den persönlichen Erfahrungen und Reflexionen der Autor*innen basieren. Und es sind alle Bücher über das wissenschaftliche Schreiben, die nicht thematisieren. Aber sie machen Lust auf Schreiben und halten auch für das wissenschaftliche Schreiben sehr viele Weis- und Wahrheiten bereit.
Buch Nr. 1 „Die Geschichten in uns“ von Benedict Wells (2024)
Dieses Buch habe ich zuerst als Hörbuch gehört, bevor ich es gelesen habe. Normalerweise lese ich Bücher, die ich schon mal gehört habe, gar nicht erst. Aber beim Hören wusste ich schon, dass ich es ganz langsam und aufmerksam lesen werde und dabei einen Textmarker in der Hand halte, um wirklich jedes Wort bewusst zu lesen.
„Die Geschichten in uns“ war für mich wie eine persönliche Begegnung mit dem Autor selbst. Im ersten Teil des Buches geht es um die eigene Geschichte des Autors und wie er an seinem Traum, Schriftsteller zu werden, festgehalten hat. Er erzählt vom Anfangen und (Nicht-)Aufhören, von den Phasen des Schreibens, vom Schreiben und Überarbeiten und stellt seine Schreibwerkzeuge vor.
Ein großer Schatz in diesem Buch sind die Zitate anderer Autoren und Lektoren, die Bendedict Wells immer wieder einstreut. Allein deswegen lohnt sich das Lesen!
Besonders beeindruckt hat mich Wells‘ Fähigkeit, persönliche Erfahrungen mit allgemeinen Aspekten des Schreibens zu verknüpfen. Seine Reflexionen über die Bedeutung von Spannung und den Umgang mit Schreibblockaden bieten sowohl Inspiration als auch praktische Tipps.
Und es gab so viele Erkenntnisse, die ich komplett auf das eigene Schreiben und das Schreiben von Forschungsarbeiten übertragen konnte. Hier eine klitzekleine Auswahl:
Ich würde vorschlagen, dass wir Geschichten von Anfang her betrachten. Von der Leidenschaft, etwas zu erzählen, ohne es gleich mit bleischweren Fragen zu betrachten (109)
„Die erste Fassung gehört immer dem Autor und nie dem inneren Lektor.“(S. 131)
„Beim Schreiben läuft nie etwas glatt, aber fast immer etwas schief (…) doch das Kriterium für eine Erstfassung ist für mich nicht, dass sie gut ist – sondern dass sie fertig ist.“
Das Buch „Die Geschichten in uns“ richtet sich nicht nur an angehende Schriftsteller*innen, sondern an alle, die gern lesen und schreiben. Wells‘ ehrliche und einfühlsame Schilderungen laden dazu ein, die Welt des Schreibens durch seine Augen zu entdecken.
Benedict Wells Hartnäckigkeit, auch gegen alle Ratschläge von außen Autor werden zu wollen, der Umgang mit abgelehnten Manuskripten und das immer wieder Aufstehen und Weitermachen sind so beeindruckend, dass sie für Schreibende in der Wissenschaft ein Vorbild sein können.
Buch Nr. 2 „Das Leben und das Schreiben: Memoiren“ 2011 von Stephen King (im Original: On Writing – A Memoir oft he Craft)
Im ersten, autobiografischen Teil schildert Stephen King Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend, die später auch seinen Werdegang als Schriftsteller beeinflussten. Er erzählt von finanziellen Schwierigkeiten, seiner Liebe zur Literatur und den ersten Schreibversuchen. Auch seine Alkohol- und Drogenabhängigkeit in den 1980er Jahren wird thematisiert.
Im zweiten Teil des Buches geht es um das Handwerk des Schreibens. Es sind nicht die ganzen hilfreichen Tipps des Autors, (keine unnötigen Adverbien, klare Sätze, und vor allem – viel lesen und viel schreiben oder dass zum Beispiel, dass die erste Fassung eines Textes immer roh sein sollte und das Kürzen danach der wichtigste Schritt ist) die das Buch so wunderbar machen. Es sind die scheinbaren Marotten, die für Schreibende hilfreich sind. Beispielsweise hat Stephen King einen Empfangsort, an dem er liest, und einen Sendeort, an dem er schreibt. Er empfiehlt beispielsweise auch, Ablenkungen zu vermeiden, indem die Vorhänge zugezogen werden sollen, sofern keine Mauer vor dem Fenster ist.
„Wenn Sie beim Schreiben Ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen wollen, möchte ich Ihnen ans Herz legen, Ihren eigenen Werkzeugkasten zusammenzustellen und dann genug Muskeln anzutrainieren, dass Sie ihn immer bei sich tragen können. Wenn sie dann vor einem schwierigen Problem stehen, können sie zum passenden Werkzeug greifen und sich sofort an die Arbeit machen, anstatt entmutigt aufzugeben“ (138).
Buch Nr. 3 „Leben Schreiben Atmen. Eine Einladung zum Schreiben“ 2019 von Doris Dörrie
Dieses Buch besteht aus persönlichen Geschichten, die mit Schreibeinladungen an die Leser*innen enden. Hier geht es nicht um das Handwerkszeug, aber jede Seite ist eine Einladung zu reflektieren und zu schreiben. Anders als klassische Schreibratgeber konzentriert sich Dörrie weniger auf Techniken oder Strukturen, sondern vielmehr auf das spontane, alltägliche und biografische Schreiben als eine Form der Selbstreflexion. Dabei erzählt sie Geschichten aus ihrem eigenen Leben, von Kindheitserinnerungen bis zu Reisen und Menschen, und zeigt, wie eng Leben und Schreiben miteinander verwoben sein können.
Die einfachen Schreibimpulse ermutigen das Festhalten von Momenten, Gedanken und Emotionen , ohne Angst und Perfektionismus loszuschreiben und können die Lust aufs Schreiben vergrößern.
„Erinnerungen aufzuschreiben ist wie Perlen auf eine Kette aufzuziehen. Eine nach der anderen. Nichts ist verloren. Eine Kette von Momenten. Diese Kette ist die Struktur, du kannst die Perlen immer wieder anders aufziehen, eine zeitliche oder thematische Abfolge hineinbringen oder darauf vertrauen, dass es eine Schnur der inneren Wahrheit gibt, die von einer Perle zur nächsten führt.“ (109)
Auch wenn es sich hier nicht um Impulse für wissenschaftliches Schreiben, sondern um Schreibanregungen für die eigene Reflexion handelt, können Wissenschaftler*innen davon profitieren, indem sie das Schreiben trainieren und auch täglich als Schreibanlass nutzen.
Buch Nr. 4 „Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginina Woolfs. Ein Memoir.“ 2018 Judith Wolfsberger
Judith Wolfsberger begibt sich auf die Spuren von Virginia Woolf und reist nach Südengland, Kalifornien, Hawaii, New York, Weimar und Berlin. Als Leserin oder Leser fühlt man sich dabei, als würde man sie begleiten. Ihr Buch verbindet Memoir, Schreibratgeber und eine feministische Auseinandersetzung mit dem Schreiben.
Inspiriert von Virginia Woolfs berühmtem Essay „Ein Zimmer für sich allein“ geht Judith Wolfsberger der Frage nach, wie Frauen sich heute – sowohl physisch als auch mental – Räume zum Schreiben schaffen können.
Sie teilt ihre eigenen Erfahrungen als Autorin, spricht über Selbstzweifel, strukturelle Hürden und die besonderen Herausforderungen, denen sich Frauen beim Schreiben stellen. Dabei verknüpft sie persönliche Erlebnisse mit gesellschaftlichen und literarischen Perspektiven und macht deutlich, wie essenziell es ist, sich bewusst Zeit und Raum für das Schreiben zu nehmen.
Mit praktischen Impulsen und Übungen hilft das Buch, kreative Blockaden zu lösen, und macht Lust, selbst zur Stift oder zur Tastatur zu greifen. Es regt dazu an, über Schreiborte nachzudenken, neue Schreibgewohnheiten auszuprobieren und zu experimentieren.
„Um unsere Schreibpotenziale zu entwickeln, brauchen wir positiven Kontakt zu anderen Schreibenden, eine community of writers. Wir wollen, können gemeinsam schreiben, bei Schreibtreffs und writers retreats, in Schreibseminaren und gar in dauerhaften gemeinsamen Schreibräumen.“ (204)
Durch die Nähe, die das Buch schafft, kann es passieren, dass auch wissenschaftlich Schreibende sich von der Schreiblust anstecken lassen – und direkt neue physische und mentale Schreibräume erkunden möchten.
Alle hier vorgestellten Bücher übers Schreiben haben mich nicht nur als Schreibtrainerin für wissenschaftlich Schreibende begeistert. Sie haben mir auch Lust gemacht, mehr übers Schreiben nachzudenken, Übungen für meine Schreibworkshops zu entwickeln und zu experimentieren, im eigenen Schreiben oder in der Unterstützung anderer Schreibender.