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Wie das bei so ziemlich jeder Beziehung ist, drei sind eine*r zu viel. Wenn die Promotion mit Im Bett ist oder mit am Tisch sitzt, wird es schwierig. Passen Promotion und Partnerschaft zusammen? Wie kann ich meine Promotion so gestalten, dass meine Partnerschaft trotzdem entspannt bleibt und nicht darunter leidet? Oder dass meine Partnerschaft meine Promotion nicht beeinflusst?

Promotion und Partnerschaft

„Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer zwischen Promotion und Partnerschaft entscheiden muss …“

„Ich denke manchmal, dass ich uns mit meiner Promotion aufhalte …“

„Mein Partner hat gesagt, dass er es nicht mehr aushält, dass ich keinen Spaß mehr am Leben habe und nicht abschalten kann …“

„Meine Partnerin findet, dass ich mich seit dem Beginn der Promotion so verändert habe und viel ernster geworden bin …“

„Ich habe das Gefühl, dass meine Partnerin mich nicht versteht …“

„Mein Mann gibt mir noch drei Monate, dann muss ich die Kinder wieder mehr übernehmen und /oder arbeiten gehen, um Geld zu verdienen …“

„Ich kann nicht erzählen, dass es mir in der Promotion mal schlecht geht oder ich Zweifel habe, weil mein Partner dann sagt, dass ich es auch lassen kann …“

Das ist die leicht bearbeitete Transkription der Podcast-Episode 207

Promotion und Partnerschaft

Wie das bei so ziemlich jeder Beziehung ist, drei sind eine*r zu viel. Wenn die Promotion mit Im Bett ist oder mit am Tisch sitzt, wird es schwierig. Das entnehme ich zumindest meinen Gesprächen und Coachings mit Promovierenden. Vielleicht ist es etwas einfacher, wenn beide Partner bzw. Partnerinnen promovieren und man vielleicht als Gesprächsthema die Promotion hat. Möglicherweise ist es auch etwas einfacher, wenn eine Person bereits promoviert ist und ich noch gut an die Promotionszeit erinnern kann.

Eine Promotion bringt oft ein Ungleichgewicht in eine Beziehung. Das habe ich mehr bei promovierenden Frauen, als bei promovierenden Männern beobachtet. Es gibt ja auch schon Forschungen, wie sich berufliche Differenz in Partnerschaften auswirkt

Ein konkretes Anliegen:

Was mache ich, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Promotion Lebensentscheidungen verzögert? – Bei mir ist es eine Beziehungskrise, die eigentlich eine Trennung oder zumindest einen Umzug erfordert. Ich merke aber, dass ich auch wegen der Dissertation das Gefühl habe, ich dürfe keine Unruhe stiften. Die Endphase der Dissertation, die jetzt schon lange dauert, ist so fordernd, benötigt so viel Raum und Zeit, dass ich mich frage, was ich machen soll. Durchhalten und hoffen, dass nach der Promotion auch die Beziehung wieder in Ordnung kommt, oder mit einer Trennung oder einem Umzug die Dissertation gefährden, die dann vielleicht nie fertig wird, weil ich erst die Trennung verarbeiten muss?

Schauen wir uns das ganze doch mal an, warum eine Promotion die Partnerschaft schwierig macht. Ich sage gleich, dass ich keine Lösung anbieten kann. Die Antwort auf alles heißt wahrscheinlich Transparenz, Verständnis und Selbstfürsorge.

Wer promoviert, verändert sich!

Unabhängig davon, dass eine abgeschlossene Promotion einen sozialen Aufstieg und eine Differenzierung in der Partnerschaft mit sich bringen kann, finden während der Promotion auch einige Veränderungen statt, die sich auch auf die Partnerschaft auswirken können.

Da ist zum Beispiel der Kreis neuer Menschen, auf die Promovierende mit der Promotion treffen, die ebenfalls promovieren und neue Themen in den Mittelpunkt rücken.

Häufig stellen Promovierende fest, dass sich mit der Erweiterung ihres Wissens, der Aneignung wissenschaftlicher Konventionen wie Verhalten und Sprache und den neuen Beziehungen zu anderen Forschenden ihre Sicht der Dinge verändert. Vielleicht haben sie auch weniger Zeit für Freund*innen und Familie, und die Freizeitgestaltung verschiebt sich. Einige sind bereits um 6:50 Uhr morgens in der ersten Schreibrunde (wie einige Mitglieder von Fokus-Promotion), andere verbringen ihre Abende und Wochenenden in virtuellen Schreibräumen.

Das bedeutet oft, dass sich sowohl die Aufmerksamkeit als auch der Energiehaushalt verschieben. Es gibt nicht mehr so viel selbstverständlichen Raum für Partnerschaft und auch nicht mehr so viel Zeit. Wer morgens um 6 Uhr oder früher aufsteht, um eventuell noch vor der Erwerbsarbeit eine erste Schreibrunde zu beginnen, oder abends, wenn die Erwerbsarbeit erledigt und die Kinder im Bett sind, noch eine Recherche- oder Schreibrunde einlegt, hat möglicherweise weniger Energie für die Beziehungspflege.

Unlogisch und nicht ökonomisch

Ein weiterer Aspekt, warum Promotion und Beziehung nicht zusammenpassen, ist, dass Promovierende für ihr Umfeld scheinbar völlig sinnlos handeln: Sie verdienen oft kein oder nur wenig Geld, sind prekär und befristet beschäftigt, machen sich das Leben mit den Anforderungen der Promotionsphase aus Sicht der Partner*innen unnötig schwer. Sie fahren auf Tagungen, die sie selbst bezahlen, bezahlen ihre Publikationen oft selbst, bekommen Rückmeldungen, die sie zum Weinen oder zur Verzweiflung bringen. Das ist nicht beziehungsfördernd und stößt im Umfeld auf Unverständnis oder gar Widerstand.

Die Tatsache, dass Promovierende häufig keinen oder nur einen geringen Beitrag zum Einkommen leisten, bringt soziale Ungleichheit in die Partnerschaft, manchmal sogar Abhängigkeiten bis hin zur Nichtbeachtung oder Verantwortung für Kinder und Haushalt bei gleichzeitiger voller Konzentration auf die Promotion.

Mental overload

Die fließenden Übergänge zwischen Arbeit und Freizeit, in denen die Promotion immer wieder Raum einnimmt und oft auch Hobbys ersetzt, machen es für Außenstehende nicht leicht zu erkennen, wann die promovierenden Partner*innen mental erreichbar oder ansprechbar sind.

Ein Problem für Promovierende ist oft auch, dass sie nicht mit ihren Partner*innen über das sprechen können, was sie bewegt.

Nun könnte man meinen, dass nicht alle mit ihren Partner*innen über ihre Arbeit sprechen und vielleicht niemand etwas über Abläufe, Kolleg*innen oder Sorgen im Berufsleben der Partner*in erfährt – und das ist auch gut so.

In Kombination mit persönlichen Belastungen wie Selbstzweifeln, Einsamkeit, viel Kritik, mangelnder Wertschätzung ist das für Promovierende ziemlich schwierig, zumal sie selbst oft an sich zweifeln und die Promotion wegen der bereits getätigten hohen Investition und mangels Alternativen nicht abbrechen wollen. Und dann braucht man vielleicht jemanden, der einem vertrauensvoll zur Seite steht.

Feierabend von der Promotion? Pustekuchen!

Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen und Strategien, nach der Arbeit alles hinter sich zu lassen, ist das bei einer Promotion oft anders. Eine Promotion nimmt viel Raum ein und nicht selten können oder wollen Promovierende ihre Gedanken, ihre Fragen nicht auf eine bestimmte Arbeitszeit beschränken.

Hinzu kommt, dass Außenstehende weder das System Hochschule/Universität noch die Forschungsprojekte verstehen. Während das Interesse am Anfang vielleicht noch da ist, wird es für Partner*innen irgendwann langweilig oder schwer nachvollziehbar, was Freund/Freundin oder Ehemann/Ehefrau da an der Hochschule macht.

Besondere Strukturen

Wer nicht an Hochschule und Universität arbeitet, versteht meist nicht, wie diese lose gekoppelten Systeme funktionieren, in denen wenige etwas zu sagen haben, aber alle immer reden.

Psychische Gesundheit erhalten

Abschließend möchte ich noch auf die physische und psychische Gesundheit von Promovierenden eingehen. Ich habe bereits in einer früheren Folge darüber gesprochen, wie sich strukturelle und systemische Probleme in der Wissenschaft auf die psychische Gesundheit von Promovierenden auswirken.

Was ich aus eigener Erfahrung und aus der Begleitung vieler Doktorandinnen und Doktoranden sagen kann:

Eine Promotion ist einmal zu Ende. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dann auch in der Partnerschaft eine Entspannung eintritt. Die psychische Belastung lässt dann vielleicht etwas nach, und wer es nicht geschafft hat, seine Energie und Lebensfreude während der Promotion zu erhalten, kann jetzt wieder Hoffnung schöpfen.

Mache Dir und Deinem Partner oder Deiner Partnerin klar, welche Ziele Du verfolgst.

Auch wenn es für andere nicht logisch erscheint, dass die Promotion wichtig ist oder man selbst scheinbar destruktive und unlogische Dinge tut, kannst Du um Verständnis bitten und das große Ganze betonen.  Du kannst auch sagen, dass es vielleicht allen Promovierenden so geht und das das alles ganz normal ist.

Und gehe davon aus, dass Dein Gegenüber vielleicht auch möchte, dass es Dir gut geht. Jemanden neben sich zu sehen, der an sich zweifelt oder ständig Probleme hat, ist vielleicht auch für Partner*innen belastend.

Positioniere Dich und grenze Deine Promotion klar von Deinem Privatleben ab

Nimm Dir bewusst Zeit für Deine Partnerschaft und für Familie und Freunde – auch oder gerade dann, wenn es stressig ist.

Es ist nicht immer einfach, die Promotion von Deinem Privatleben zu trennen, da der Kopf vielleicht permanent in der Promotion steckt. Versuche, etwas Freizeit von der Dissertation in Dein Leben zu bringen. Auch wenn es schwerfällt, fange klein an und werde immer besser darin, Deine Beziehung trotz Dissertation und Berufs- und Familienarbeit zu pflegen.

Überlege, was ihr wirklich wichtig ist und was Dir nach der Promotion wichtig sein wird.

Die Promotionsphase ist keine einfache Phase für eine Partnerschaft, aber wenn die Partnerschaft die Promotionsphase überstanden hat, oder die Promotion die Partnerschaft wird es bestimmt besser. Hoffentlich!

Ich wünsche Dir alles Gute.

Warum eine Promotion Zeit braucht