Kennst du das Gefühl, in einem Meer aus Notizen, halbfertigen Texten, Deadlines und Terminen zu schwimmen? Eine Promovierende beschrieb es kürzlich so: „Ich habe das Gefühl, ich habe komplett verloren, was wirklich wichtig ist.“ Dieses Chaos-Gefühl ist in der Promotion völlig normal und ein Zeichen dafür, dass es Zeit für bessere Strukturen wird. Here we go!
Vom Chaos zur Klarheit: Projektmanagement
Viele Promovierende stehen irgendwann vor demselben Problem: Hunderte von Notizen, zehn verschiedene To-do-Listen – eine im PC, eine auf dem Notizblock, dazu begonnene Kapitel und Ideen überall auf Zetteln verstreut. Der Überblick geht verloren, und mit ihm oft auch die Motivation und Handlungsfähigkeit.
Warum Struktur in der Promotion entscheidend ist:
Gute Strukturen sind weit mehr als nur Ordnung um der Ordnung willen. Sie erfüllen drei zentrale Funktionen, die für den Promotionserfolg entscheidend sind:
Klarheit über Prioritäten entwickeln: Eine durchdachte Struktur hilft dabei, den nächsten logischen Schritt zu identifizieren. Statt sich in interessanten, aber nicht zielführenden Aufgaben zu verlieren, wird sichtbar, welche Schritte wirklich zum Promotionsziel führen.
Mentale Entlastung schaffen: Ein organisiertes System entlastet den Kopf. Wenn Du mit einem Klick die Datei findest, die Du brauchst, oder eine klare Ablagestruktur hast, sparst du nicht nur Zeit, Du reduzierst auch mentalen Stress. Eine „Inbox“ für neue Dateien kann beispielsweise ein echter Game Changer sein: Alles kommt erst mal dorthin, und später entscheidest Du in Ruhe über die endgültige Ablage.
Handlungsfähigkeit erhalten: Gute Strukturen minimieren Unterbrechungen. Du musst weniger suchen, wirst seltener von anderen Projekten abgelenkt und kannst schneller wieder in den Arbeitsfluss finden. Das ist besonders wichtig, um keine kostbare Zeit damit zu verlieren, Gedanken wiederzufinden oder bereits begonnene Überlegungen zu rekonstruieren.
Es gibt nicht die eine perfekte Struktur
Es gibt kein universelles Struktursystem, das auf alle Promovierenden passt und das Du einfach übernehmen kannst. Du musst selbst eins entwickeln und vielleicht ein bisschen rumprobieren, was Dir hilft und was nicht
Du solltest Dir vorher einige Fragen stellen:
- Arbeitstyp: Brauchst Du detaillierte Pläne oder funktionierst Du besser mit einem groben Rahmen?
- Medienvorlieben: digital, analog oder hybrid?
- Promotionsform: Wie viel Zeit hast Du für Deine Promotion? Eine berufsbegleitende Promotion, Arbeit in oder außerhalb der Hochschule oder eine Promotion mit Stipendium machen einen großen Unterschied für die Planungsmöglichkeiten.
- Lebensumstände: Wer muss bei der Planung noch berücksichtigt werden und wie frei bist Du? Semesterrhythmus, familiäre Situation, andere Verpflichtungen?
Besonders promovierende wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch andere berufsbegleitend Promovierende kennen das Problem: Das Semester oder ein Projekt beginnt, und plötzlich ist für Monate keine Zeit mehr für die Dissertation. Oder private Veränderungen, Kind kommt in die Schule, eine Hochzeit, Krankheit, Trauer, ein Umzug bringen etablierte Routinen durcheinander.
Die drei Strukturebenen für Promotionsprojekte
Für ein funktionierendes Promotionsprojektmanagement helfen Dir vielleicht drei verschiedene Planungsebenen:
1. Große Projektstruktur: Der Überblick
Diese Ebene verschafft Dir Orientierung über das gesamte Promotionsprojekt. Hier geht es um:
- Grobe Meilensteine: Wann soll welcher große Baustein, z. B. welcher Forschungsschritt oder welches Kapitel, fertig sein?
- Jahresplanung: Eine Jahresübersicht, beispielsweise als Art Landkarte, die zeigt, wie Du das Jahr (oder Halbjahr) gestalten möchtest.
- Timeline: Visualisierung der großen Etappen, aufgeteilt in kleinere Meilensteine, die Dir Orientierung bieten.
Wichtig: Diese Planung kann nur grob sein, denn Forschung ist nur bedingt planbar. Wenn Du ein neues Paper liest und eine andere Perspektive entwickelst, kann sich alles verschieben – und das ist völlig normal.
2. Mittlere Planungsebene: Konkrete Schritte
Hier werden die großen Ziele in machbare Einheiten übersetzt:
- Quartals- und Monatsplanung: Welche konkreten Projekte stehen an? Hier werden grobe Meilensteine in kleinere Teilaufgaben aufgeteilt.
- Wochenziele: Was soll diese Woche erreicht werden? Kleinste Meilensteine passen in die Wochenplanung.
- Reflexion: Was hat in der letzten Woche/ im letzten Monat funktioniert, was nicht?
Ein bewährter Ansatz ist die monatliche Standortbestimmung: Was ist gut gelaufen? Was muss angepasst werden? Was wird in den nächsten Monat mitgenommen?
3. Tagesplanung
Bei dieser Ebene geht es um die konkrete Umsetzung, damit Du orientiert und handlungsfähig bist, Tag für Tag.
- Tagesplanung: Welche To-dos stehen heute an?
- Routinen: wiederkehrende Abläufe optimieren
- Dokumentation: Arbeitsschritte für später festhalten
Hier kann auch ein Schreib-Ziel-Plan wertvoll sein, der nicht nur Arbeitsschritte definiert, sondern auch konkrete Aussagen und Ziele für einzelne Kapitel festhält.
Ideen für erfolgreiches Promotionsprojektmanagement
Realistische Planung trotz Unplanbarkeit
Forschung folgt nicht immer, eigentlich eher selten, einem Plan. Diese Unplanbarkeit kannst Du aber in Deine Planung einbauen:
- Plane zunächst in groben Einheiten, später erst detailliert
- Baue Pufferzeiten ein
- Plane Zeit- oder Ergebnisblöcke für kleine und große Aufgaben
Routinen etablieren und dokumentieren
Bestimmte Arbeitsschritte immer gleich zu machen, spart Zeit und Energie. Erstelle Dir:
- Workflow-Listen: Wie funktioniert ein bestimmter Prozess?
- Checklisten: Was muss bei wiederkehrenden Aufgaben beachtet werden?
- Anleitungen: Kleine Videos oder Notizen für Dinge, die Du nur selten machst
Besonders hilfreich ist ein Ordner mit Anleitungen für Aufgaben, die nur alle paar Wochen anfallen. So musst Du nicht jedes Mal neu überlegen: „Wie ging das nochmal?“
Kontinuierliche Anpassung
Systeme müssen wachsen können. Typische Fehler sind:
- Perfektionismus: Zu viel Zeit in die Systementwicklung statt in die Arbeit investieren
- Kopieren: Fremde Systeme 1:1 übernehmen, ohne eigene Bedürfnisse zu berücksichtigen
- Gewohnheit: An Systemen festhalten, die nicht mehr funktionieren
Praktische Tools und Ansätze
Digitale Lösungen
All-in-One-Tools: Notion und Obsidian bieten umfassende Möglichkeiten für Notizen, Planung und Dokumentation. Sie erfordern aber Einarbeitungszeit.
- Trello für Projektmanagement und Kollaboration
- Todoist für Aufgabenmanagement
- Zeiterfassungstools für Bewusstsein über Arbeitszeiten
- Notion und Obsidian bieten umfassende Möglichkeiten für Notizen, Planung und Dokumentation
Tools erfordern oft Einarbeitungszeit. Sind sie einmal etabliert, wird vieles leichter. Orientieren kannst Du Dich beispielsweise an den Tools, die von anderen Promovierenden, Postdocs, Profs in Deinem fach genutzt werden.
Analoge Ansätze
Nicht alles muss digital sein:
- Wandkalender: Jahresüberblick mit Farbcodierung
- Journal: Für spontane Ideen und Wochen-To-dos
- Whiteboards: Für Prozessvisualisierung und bewegliche Post-its
Hybrid-Lösungen
Viele Promovierende fahren gut mit einer Kombination:
- Digitaler Kalender für Termine
- Analoges Heft für To-dos und Ideen
- Digitale Tools für Wissens- und Dateienmanagement
- Apps für spezielle Aufgaben
Der Schreibzielplan von Coachingzonen kann hierbei besonders bei der Strukturierung der Schreibarbeit helfen.
Klein anfangen statt perfekt planen
Hier ein paar Fehler, die mir beim Promotionscoaching zum Thema „Strukturieren/Planen in der Promotion“ immer wieder begegnen: Viele Promovierende versuchen, alles auf einmal perfekt zu machen. Hier ein paar tipps, die das Promotionsprojektmanagement erfolgreich*er machen:
In kleinen Schritten beginnen: Nimm Dir zu Beginn täglich 15 Minuten Zeit und sammle erst mal, was in Deiner Promotion gerade chaotisch läuft. Was funktioniert nicht gut? Wo verlierst Du Zeit?
Experimentieren: Probiere ein System aus, bevor Du es aufwendig einrichtest. Wenn Du unsicher bist, frage Kolleg*innen nach ihren Erfahrungen.
Sich entwickeln lassen: Dein System darf wachsen und sich verändern. Du musst nicht von Anfang an alles richtig machen.
Tool-Entscheidung überdenken: Manchmal ist ein einfaches System, das Du konsequent verwendest, besser als ein komplexes, das Du nur gelegentlich nutzt.
Das Gefühl „Ich habe es im Griff“
Gutes Projektmanagement verschafft Dir mehr als nur Ordnung, es gibt Dir das wichtige Gefühl, Deine Promotion im Griff zu haben. Dieses Gefühl wirkt sich positiv auf Motivation, Handlungsoptionen, Leistungsfähigkeit und so auch auf die Promotionsdauer aus.
Struktur in der Promotionsphase zu haben, bedeutet dabei nicht, ein starres System zu haben, sondern einen flexiblen Rahmen zu schaffen, in dem Du gut funktionierst und der sich an Deine jeweiligen Herausforderungen anpassen lässt.
Wenn Du das Thema Strukturierung und Zeitmanagement vertiefen möchtest, findest Du hier im Coachingzonen-Blog weitere praktische Tipps. Auch im Podcast „Erfolgreich promovieren“ bespreche ich regelmäßig konkrete Strategien für besseres Promotionsprojektmanagement.
Häufig gestellte Fragen
Wie fange ich mit der Strukturierung an, wenn schon alles chaotisch ist?
Beginne mit einer 15-minütigen Bestandsaufnahme: Was läuft gerade nicht gut? Wo verlierst Du Zeit? Dann wähle einen Bereich aus und erstelle dafür ein einfaches System. Alles auf einmal zu ordnen überfordert nur.
Welches Tool ist das richtige für mich?
Das hängt von Deinen Arbeitsgewohnheiten ab. Magst Du es digital oder analog? Arbeitest Du allein oder im Team? Brauchst Du detaillierte Planung oder reichen grobe Strukturen? Probiere verschiedene Ansätze aus, bevor Du Dich festlegst.
Wie oft sollte ich mein System überprüfen?
Monatlich ist ein guter Rhythmus für größere Anpassungen. Wöchentlich kannst Du schauen, ob die aktuellen Strukturen noch funktionieren. Bei größeren Lebensveränderungen (neues Semester, privater Wechsel) solltest Du Dein System grundsätzlich hinterfragen.
Was mache ich, wenn mein etabliertes System plötzlich nicht mehr funktioniert?
Das ist normal und passiert oft bei Veränderungen (Urlaub, neue Lebenssituation, Semesterbeginn). Analysiere, was sich geändert hat, und passe Dein System entsprechend an. Manchmal reichen kleine Justierungen, manchmal brauchst Du einen neuen Ansatz.
Lohnt sich ein komplexes System, wenn ich schon weit in der Promotion bin?
Das kommt darauf an: Willst Du nach der Promotion weiter wissenschaftlich arbeiten? Arbeitest Du kollaborativ? Hast Du vor, Dein Material langfristig zu nutzen? Dann kann sich auch kurz vor Schluss die Investition in ein besseres System lohnen. Ansonsten reicht oft ein einfaches System für die verbleibende Zeit.

