Kinderbetreuung und Promotion
Annika hat hier im Blog einen Blogbeitrag zum Thema Promovieren mit Kind geschrieben. Dann kamen bei den Leser*innen des Blogs die Frage auf, wie sie Kinderbetreuung und Promotion unter einen Hut bekommt. Dazu hat sie nun eine Antwort geschrieben, wie sie die Kinderbetreuung und Promotion organisiert.
Hier ist Annikas Antwort:
Wie klappt das mit der Kinderbetreuung und der Promotion?
Vorweg muss ich zwei Dinge betonen: 1. Niemand behauptet, dass es einfach wäre. 2. Niemand behauptet, dass es schnell ginge. Wer promovieren will und sich nebenbei um ein (oder sogar mehrere) Kind(er) kümmern muss, der kann sich darauf einstellen, dass er noch mehr Zeit und Energie investieren muss als alle anderen. Aber nun zu den Details.
Antwort 1: „Wie kriegst du das immer so einfach hin?”
An diesem Satz ist so ziemlich alles falsch. Die Frage wurde mir schon so oft gestellt und ich frage mich wirklich, ob jemand ernsthaft denkt, dass eine Promotion mit Kindern einfach wäre. Mein Mann und ich sind beide berufstätig. Die Kinder sind 8, 6 und 1. Die Große geht zweimal in der Woche zum Ballett und Voltigieren, die Kleine zweimal zum Schwimmkurs. Es ist also nicht so, dass die Kinder keine Hobbies hätten. Ich habe nach der Mutterschutzzeit (und ein wenig Resturlaub) wieder mit dem Arbeiten in Vollzeit angefangen – so viel zu den Rahmenbedingungen.
Wie kriegen wir das also hin? Ich sagte ja bereits – die Lebensumstände werden sich nicht der Promotion anpassen, also muss man es umgekehrt machen. Wer hier nicht flexibel ist, wird es schwer haben. Ich habe jede Gelegenheit genutzt, die sich mir geboten hat, um irgendwie Zeit für die Promotion zu finden. Dazu gehört natürlich, dass unsere Kinder (auch durch unsere Berufstätigkeit) früh in die Betreuung kamen. Krippe, Kindergarten und Schule mit Hausaufgabenbetreuung sind völlig normal. Als nächstes haben wir ein gutes Netzwerk an Eltern, die sich gegenseitig unterstützen (meist klappt es mit denen am besten, die ebenfalls berufstätig sind und das Dilemma verstehen). Die Kinder zum Spielen auszuquartieren schafft häufig ein paar Stunden Freiraum in denen man arbeiten kann, während sie mit Freundinnen spielen. Selbst wenn bei uns gespielt wird, klappt das Arbeiten, denn die Kinder sind beschäftigt. Mit dem Baby klappt das natürlich nicht – da wird gearbeitet, wenn er schläft. Wenn es keine Aufgaben sind, die höchste Konzentration erfordern, geht das auch schon mal nebenbei, wenn er in seinem Hochstuhl sitzt und spielt. Dass der Partner unterstützt muss eine Selbstverständlichkeit sein, sonst geht gar nichts!
Als nächstes muss man kreativ sein. Ich nehme den Laptop mit, wenn ich meine Tochter und ihre Freundin zum Ballett fahre. Die Strecke ist zu weit zum Radfahren und es lohnt auch nicht, in der Zeit nach Hause zurückzufahren. Während sich die anderen Eltern in der Zeit beim Kaffee unterhalten, sitze ich lieber im Auto und arbeite eine Stunde ungestört an meiner Forschung. Beim Voltigieren genauso – das sind schon mal zwei Stunden mehr, die ich sonst nicht hätte.
Letztendlich muss man viele persönliche Opfer bringen. Wenn ich mal einen Tag Überstunden abbauen kann, dann sitze ich 8 Stunden lang zuhause und nutze die Zeit, um zu forschen, bevor ich die Kinder von der Schule / Kindergarten abhole. Da ist nicht viel mit ausruhen, auf der Couch liegen oder faulenzen. Einen Großteil der Arbeit verlagere ich jedoch in die Abendstunden. Jeder, der Familie und Kinder hat, weiß, dass man vieles erst schafft, wenn die Kinder im Bett sind. Ich setze mich also (fast) jeden Abend ab 20 Uhr an den Schreibtisch, wenn die Kinder schlafen, und arbeite für ein paar Stunden. Anstrengend? Auf jeden Fall! Daher muss die Motivation auch stimmen.
Antwort 2: Es wird definitiv nicht schnell gehen
In manchen Phasen schafft man viel Arbeit. Ein zwei Urlaubstage zuhause, in denen ich konzentriert arbeiten kann, bringen mich super voran. Auch muss man jede Gelegenheit nutzen, die sich einem bietet. Durch die Geburt unseres dritten Kindes hatte ich während der Mutterschutzzeit nicht zu arbeiten, konnte mich aber zuhause jeden Tag an die Forschung setzen – das Baby hat am Anfang sowieso einen Großteil des Tages geschlafen. Muss man aber auch erst mal wollen. Auf diese seltenen Gelegenheiten würde ich mich jedoch nicht ausschließlich verlassen, schon gar nicht bei einem mehrjährigen Forschungsprojekt. Tatsächlich ist es die Kontinuität, die wichtig ist. Selbst wenn ich nur 4 mal in der Woche für 2-3 Stunden an der Diss arbeiten könnte, würde mich dies langsam voranbringen. Mir ist klar, dass ich nicht nach 2 Jahren abschließen kann wie manch anderer, der ein Vollstipendium bekommen hat und auch weder lehren noch anderweitig als WiMi arbeiten muss. Aber das ist auch nicht mein Ziel, da die Motivation für die Promotion eine völlig andere ist.
Wer also mit Kindern promovieren möchte, muss sich frühzeitig sicher sein, dass er auch die hierfür notwendige Zeit einplanen kann. Ob dies möglich ist, hängt natürlich stark vom familiären Umfeld, der eigenen beruflichen Situation, und den Zielen, die mit der Promotion verbunden sind, ab. Auch ist es eine große Hilfe, wenn die Promotionsbetreuung um die Situation weiß und diese berücksichtigen kann. Mir hat es unheimlich geholfen, dass meine Betreuerin vier Kinder hat und weiß, wie schwer Karriere und Kinder zu vereinbaren sind. So etwas kann man sich zwar nicht immer aussuchen, es hilft jedoch unglaublich.
Ich hoffe, dass ich im Oktober soweit bin, meine losen Enden zusammenzuschreiben und ein Manuskript abgeben zu können. Vielleicht werden bis dahin die Kinder krank oder es passiert etwas anderes, was meinen Zeitplan durcheinanderbringt. Dann heißt es nur durchatmen und weitermachen. Diese Gelassenheit ist wichtig, wenn die Familie während des Promotionsvorhabens nicht völlig unter die Räder kommen will.
Kinderbetreuung und Promotion: Es geht langsamer – aber es geht!
Mein Fazit ist daher: Promotion mit Kindern ist definitiv möglich, wenn man es unbedingt will. Es erfordert aber viel Planung, Flexibilität, Durchhaltevermögen und gute Netzwerke, die man sich rechtzeitig schaffen sollte. Es wird viele Opfer kosten und lange dauern. Gleichzeitig sollte man die Balance zum Familienleben hinbekommen, wenn man durch die Promotion keine verbrannte Erde hinterlassen will. Auch wenn mir die Promotion wichtig ist. Ich brauche lieber ein Jahr länger, als mir später den Vorwurf zu machen, ich wäre nicht für meine Kinder da gewesen. Schwierig? Definitiv. Aber sicher nicht unmöglich.
Die Autorin:
Annika, 31 Jahre alt und zurzeit mitten in ihrer Promotion. Sie lebt mit Mann und drei Kindern in Norddeutschland. Annika ist seit 12 Jahren in der öffentlichen Verwaltung, mittlerweile in Führungsfunktion, tätig. Wenn sie gerade nicht arbeitet oder forscht, geht sie ihren Hobbies nach. Sie schreibt in ihrem Blog zum Thema Minimalismus: http://www.thesimplespace.de/. Wenn ihr euch hiervon angesprochen fühlt oder eure Geschichte beisteuern wollt, Annika freut sich über eine Nachricht! Schaut gerne vorbei.