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Eine Promotion ist nicht nur eine wissenschaftliche Herausforderung, sondern auch ein intensiver Transformationsprozess, in dem bei den Promovierenden sowohl fachlich als auch persönlich große Wachstumsprozesse stattfinden.

Promotionstagebuch, Forschungsjournal analog und digital

In der Promotionsphase stellt nicht nur das Verfassen wissenschaftlicher Texte für viele Promovierende eine Herausforderung dar. Auch das Forschen, Publizieren, Präsentieren und Lehren will gelernt sein. Selbstmanagement, Zeitmanagement und Schreibmanagement sind wichtige Aufgaben für Promovierende in der Promotionsphase.

Verschiedene Tools können Promovierende in diesem Transformationsprozess unterstützen. Bei der Reflexion und Planung können Promotionstagebuch, Forschungsjournal und digitale Tools wie z. B. Obsidian dabei eine gute Hilfe sein.

Promotionstagebuch und Forschungsjournal

David, Marcel, Rahel und Regina erzählen im Podcast, wie sie ihre Promotion mit Promotionstagebüchern, Forschungstagebüchern, Journalen und Plänen begleiten

Ein Promotionstagebuch dient der persönlichen Reflexion und auch der emotionalen Unterstützung. Es kann analog oder digital wie eine Art Reisetagebuch für die Dissertation geführt werden. Das Promotionstagebuch kann Ideen im Forschungsprozess, den Forschungsprozess selbst und einzelne Schritte im Forschungsprozess abbilden.
Oft ist ein Promotionstagebuch aber auch ein Buch, in dem alle Gedanken während der Promotion, Ängste, Zweifel, Hoffnungen und Erfolge schriftlich festgehalten werden. Ein Promotionstagebuch kann auch sehr gut genutzt werden, um den persönlichen Transformationsprozess hin zu einer Forscher*innen-Persönlichkeit zu dokumentieren. So kann der Promotionsprozess reflektiert, verstanden und emotional verarbeitet werden.

Tagebuch seit dem Studium

Rahel beginnt bereits während des Studiums ein Promotionstagebuch zu schreiben: Ich habe meine Bachelorarbeit geschrieben und war in einem ganz kleinen Forschungsteam. Und die Professorin hat dann gesagt, wir sollen ein ganz klassisches Tagebuch führen. Das habe ich dann auch gemacht und habe dann einfach in einem Notizblock alle meine Gedanken, alles was dazu gehört, aufgeschrieben. Das habe ich dann auch für die Masterarbeit beibehalten und habe zwei Bücher vollgeschrieben. Das ist noch schön, da kann man dann auch wie ein Bilderbuch reinschauen, Zeichnungen sehen, Höhen und Tiefen erkennen, weil da ist wirklich alles drin. Also da ist Fachliches drin, da ist Persönliches drin, da sind Flyer eingeklebt.

(Rahel Banholzer)

Ein Forschungsjournal bildet im Gegensatz zum Promotionstagebuch eher den wissenschaftlichen Produktionsprozess der Dissertation ab. Es dient häufig der Dokumentation von Experimenten, Daten, Ergebnissen, Methoden, Hypothesen und Änderungen in der Vorgehensweise.
Auch Ideen, Literaturhinweise und wichtige Zitate können in einem Forschungsjournal festgehalten werden. Ein Forschungsjournal ordnet und dokumentiert die eigene Forschung während der Promotion, so dass Entscheidungen im Forschungsprozess nachvollzogen werden können.

„Es ist viel zu lange gut gegangen, dass ich so schlecht organisiert war (…).“

(Regina Gerlich)

Sowohl das Promotionstagebuch als auch das Forschungsjournal können handschriftlich oder mit einem Schreibprogramm am PC oder Laptop geführt werden. Dies zeigen auch die Beiträge im Mitmach-Podcast.

Ein digitales Werkzeug zur Dokumentation bzw. Reflexion der Promotionsphase ist z.B. Obsidian. Obsidian eignet sich sowohl zur Digitalisierung des Promotionstagebuchs als auch des Forschungsjournals.
Mit Obsidian können Notizen miteinander verknüpft werden und so ein Netzwerk von Ideen, Gedanken und Forschungsergebnissen entstehen. Praktisch: Obsidian kann individuell angepasst werden.

David benutzt das digitale Tool Obsidian:

„Also ich habe jetzt ein fast schon ausgeklügeltes und komplexes System, um meine ganzen digitalen Notizen zusammenzuhalten. Aber das hat eine etwas längere Geschichte, als dass es nur auf die Dissertation zurückgeht. Und zwar habe ich zu Beginn meiner Tätigkeit an der Universität in der E-Learning-Abteilung gearbeitet. Da gab es wahnsinnig viele Projekte und es liefen viele Dinge gleichzeitig. Und als ich dann angefangen habe zu promovieren, kam die Gremienarbeit dazu, nicht Promotionsausschuss, aber Promotionsvertretung an der Fakultät und Fakultätsrat. Und es wurden immer mehr Baustellen, die gleichzeitig bearbeitet werden mussten. Und ich hatte immer die Idee, dass ich gerne so etwas wie ein eigenes Wikipedia für mein Gedächtnis hätte. Also ein externalisiertes Gedächtnis, was durchsuchbar ist, wo ich alles dokumentieren kann und festhalten kann, gerade weil es so viele Gesprächsnotizen und Besprechungen und so weiter gibt und Dinge entschieden
Und deswegen war von Anfang an klar, es muss digital sein, dass ich alles immer dabei habe, egal ob auf dem Smartphone oder auf dem Computer. Und es muss durchsuchbar sein, dass ich wirklich mit einer Volltextsuche oder mit Schlagwörtern schnell die Informationen finde, die ich mir irgendwann mal aufgeschrieben habe. Und dann habe ich das eine Zeit lang ausprobiert mit verschiedenen Programmen und Apps und so weiter und bin dann immer tiefer in dieses Personal Knowledge Management oder kurz PKM eingestiegen und bin dann so nach und nach bei einer Software gelandet, die ich jetzt für mich ideal finde. Die heißt Obsidian. Die wird im Moment in der Wissenschaft so ein bisschen herumgereicht, weil sie auf zwei relativ einfachen Prinzipien beruht. Das eine ist, das sind reine Markdown-Dateien, also im Grunde reine Textdateien, die nur ein paar Kilobyte pro Stück wiegen und die ich mit jedem Texteditor bearbeiten kann. Das heißt, die sind super schnell synchronisiert, weil sie sehr klein sind, und wenn es diese Software irgendwann nicht mehr gibt, kann ich sie mit einem anderen Programm weiterbearbeiten. Das ist das eine Prinzip.werden, die im Laufe eines Projektes berü
Das zweite Prinzip sind die so genannten bidirektionalen Links oder Wikilinks. Das kennt man eigentlich eher aus der Wikipedia. Da kann ich jeden Begriff in eckige Klammern setzen und kann dann auf die Notiz verlinken, die den Titel hat, der eben in diesen eckigen Klammern steht. Das heißt, ich kann tatsächlich so etwas wie ein Wikipedia in diesen Notizen aufbauen. Und das ist genau das, was ich jetzt mache. Und der Dreh- und Angelpunkt meines Systems sind tatsächlich so etwas wie Tagesnotizen. Also da gibt es ganz viele Plugins für Obsidian und eines der Plugins ist im Grunde ein Kalender, der mir jeden Tag eine neue Notiz anlegt mit dem Dateinamen.
(David Lohner)

Kleine Schritte aufschreiben

Während einer schwierigen Phase begann Marcel ein Tagebuch zu führen, um seine Fortschritte und Gedanken festzuhalten. Später übertrug er dieses Konzept auf seine Promotion und damit auf die Dissertation, indem er jede noch so kleine Aktivität aufzeichnete. Er recherchierte Studien über das universitäre VPN, schickte E-Mails an seinen Promotionsbetreuer und erstellte Artikelstrukturen nach APA. Marcel bemerkte, wie diese Dokumentation ihm half, seine Dissertation voranzutreiben. Obwohl er nicht immer große Fortschritte machte, zeigte ihm sein Promotionstagebuch, dass er kontinuierlich arbeitete. Inzwischen ist er beim zweiten Band seines Tagebuchs angelangt und plant, seine Arbeit in neun Monaten abzuschließen. Das integrierte Lesezeichen zeigt ihm den Fortschritt in seinem Tagebuch an. Bei Pausen oder Unterbrechungen kann er im Tagebuch blättern und sehen, wo er zuletzt war. Trotz gelegentlicher stressiger Wochen, z.B. durch Konferenzen, versucht Marcel, sich jeden Abend kurz Zeit zu nehmen, um zu reflektieren und festzuhalten, was er an diesem Tag erreicht hat.

Und ein schöner Nebeneffekt ist vom Promotions-Tagebuch, wenn man dann mal eine Woche Auszeit hatte oder so, da kann man da durchblättern, wo zum Henker war ich nochmal stehen geblieben, was war meine letzte Tätigkeit, ach ja, ich war dabei die Studien zu exerpieren oder was weiß ich. Und damit kann ich sehr gut arbeiten und das befülle ich eigentlich, diese Woche ist ein bisschen schwierig, weil eine Tagung ansteht und deswegen der Stresslevel sehr hoch ist, aber ich versuche immer am Abend, wenn ich dann fertig bin mit meinen To-Dos, dann nochmal kurz innezuhalten und dann fünf Minuten, was habe ich heute eigentlich gemacht, dann schreibe ich es rein und dann lasse ich den Tag auch Tag sein lassen und beginne den Abend.

(Marcel Dick)

One Note, Online-Gant-Chart in Trello

Regina hat ein Online-Gantt-Diagramm in Trello erstellt, um ihre Fortschritte und Ziele zu verfolgen. Sie begann zwar auf Papier, wechselte dann aber schnell zum Online-Format, da es einfacher ist, Anpassungen vorzunehmen. Ein weiteres Tool, das Regina nutzt, ist Microsoft OneNote, wo sie einen speziellen Kalender verwendet. Hier dokumentiert sie ihre täglichen Aktivitäten und kann Details notieren und reflektieren.

Ein Schlüsselelement ihres Prozesses ist ein regelmäßiges Stand-up-Meeting mit ihrer Promotionsbetreuung. Regina bereitet alle zwei Monate ein Dokument mit ihren Fortschritten, Feedbackanfragen und aktuellen Herausforderungen vor und schickt esihrer Promotionsbetreuung vor dem Treffen.

Wir sind beide dann gut vorbereitet auf dieses Meeting. Das geht dann sehr effizient auch durch und ich kann dann nebenher, mache ich ein Word-Dokument im Überarbeitungsmodus, protokolliere ich die Antworten und dann schicke ich ihr dann auch dieses Protokoll zu. Und dann wissen wir beide, was passiert in der Zeit.

(Regina Gerlich)

Fazit:

Um den langen Weg der Promotion mit seinen Höhen und Tiefen, der Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung sowie den Erkenntnissen auf vielen Ebenen schreibend zu begleiten, ist ein Promotionstagebuch oder Forschungsjournal hilfreich.
Damit können sowohl die Promotionsphase als auch der Forschungsprozess dokumentiert und strukturiert werden.

In der Praxis unterscheiden Promovierende nicht zwischen Promotionstagebuch und Forschungsjournal. Oft wird beides in einem geführt, wie der Mitmach-Podcast und auch die Gespräche mit Promovierenden zeigen.

Ob analog oder digital, es ist wichtig, einen Ort zu haben, an dem Promovierende / Forschende ihre Gedanken festhalten können. Es lohnt sich, es auszuprobieren – und zu entdecken, wie ein Promotionstagebuch, ein Forschungstagebuch oder digitale Tools wie Obsidian, Trello, One-Note und Co. den Weg zur Promotion bereichern können.