Netzwerke in der Wissenschaft: Karriere, Macht und Netzwerke: Spielregeln und Felddynamiken akademischer Karriereentwicklung

Zum Thema Netzwerke in der Wissenschaft von Promovierenden und Postdocs habe ich ein interessantes Buch gelesen, von dem ich hier berichten möchte. Es ist eine Art Leitfaden, der die Karriereplanung im Feld der Wissenschaft unterstützt. Ebenso ist das Buch interessant für jene, die Promovierende und Postdocs begleiten und beraten.

Das Buch: Karriere, Macht und Netzwerke: Spielregeln und Felddynamiken akademischer Karriereentwicklung, von Jasmin Döhling-Wölm, erschienen im Sep. 2016. (Das Bild dieses Blogbeitrags ist aus dem Cover des Buches entwickelt).

Wie werden Karriere in akademischen Netzwerken geplant, wie funktionieren diese und welche Rolle übernehmen jene, die in diese Planung einbezogen sind? Welche Mechanismen wirken bei der Karriereentwicklung auf Promovierende und Postdocs und wie können diese ihre Karriereplanung durch Netzwerke unterstützen?

Mit diesen Themen und Fragen beschäftigt sich der Ratgeber „Karriere, Macht und Netzwerke: Spielregeln und Felddynamiken akademischer Karriereentwicklung“, von Jasmin Döhling-Wölm.

Karrierespiele in akademischen Netzwerken

Zunächst richtet sie ihren Blick auf „Karrierespiele in akademischen Netzwerken“ (S.11), wo sie auf die Praxis akademischer und nicht-akademischer Netzwerke schaut. Für Promovierende und Postdocs ist eine wissenschaftliche Karriere oft Plan A und folglich ist eine Karriere außerhalb der Wissenschaft dann Plan B. Ist es wirklich so, dass nur die Besten in der Wissenschaft bleiben? Und was bedeutet es, wenn eine Karriere außerhalb der Wissenschaft eine zweite Wahl ist? Bemerkenswert ist es, dass es in der Wissenschaft Tabu zu sein scheint, sich vorausschauend auf eine nicht-akademische Karriere zu fokussieren.

Für mich ergibt sich daraus die Idee, dass Promovierende schon früh überlegen sollten, wo sie die Kompetenzen, die sie während ihrer Promotion erwerben, außerhalb des akademischen Feldes verwenden oder sichtbar machen könnten. Und folgerichtig sollte auch die Personalentwicklung in der Universität den Wunsch oder die Notwendigkeit nicht-akademischer Karrierewege berücksichtigen und fördern. Das würde beispielsweise auch bedeuten, Promovierende auf Bewerbungsverfahren außerhalb der Wissenschaft vorzubereiten.

Außerdem bemerkt die Autorin, dass die Wissenschaft in Deutschland im Gegensatz beispielsweise zu Großbritannien immer nur ein Entweder-oder kennt, also ein drinnen oder draußen und keine Übergänge bietet. Das ist ein Problem für Nachwuchswissenschaftler_innen

Akademische Karriereförderung

Im Kapitel „Rahmenanalyse 1: Akademische Karriereförderung“ (S.19) stellt die Autorin heraus, welche Probleme sich aus „dem Wunsch nach Planbarkeit von wissenschaftsbasierten Karriereverläufen und den historisch gewachsenen Rahmenbedingungen im deutschen Wissenschaftssystem“ (S. 19) ergeben. Um Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen besser zu unterstützen, müssten Forschungsförderung und Personalentwicklung in Hochschulen besser ineinandergreifen und möglicherweise auch Praktiken und Erfolgsfaktoren der nicht-akademischen Karriereförderung einbeziehen.

Während Studierende im Studium auf eine Berufstätigkeit außerhalb der Universität vorbereitet werden, werden Promovierende und Postdocs oft nur auf eine wissenschaftliche Karriere vorbereitet. Der Stifterverband hat in einer Studie ein Vorankommen der Hochschulen im Hinblick auf akademische Personalentwicklung für Nachwuchswissenschaftler_innen festgestellt. Doch auch wenn die akademische Personalentwicklung im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses zunimmt, gibt es eine wesentliche Gruppe, die oft aus dieser Unterstützung herausfällt: Die Postdocs, die nach ihrer Promotion keine weitere Fördermöglichkeit in den Universitäten angeboten bekommen.

Statistiken der letzten Jahre und vor allem die Erfahrungen der Akteure und Akteurinnen zeigen, dass nur ein geringer Teil der Nachwuchswissenschaftler_innen die wissenschaftliche Karriereleiter erklimmen können und wollen (wobei die Autorin treffsicher statt einer wissenschaftlichen Karriereleiter das „Treppenhaus in Hogwarts“ als Bild für eine Wissenschaftskarriere heranzieht). Sie formuliert, dass es „ein explizites Anliegen der Hochschule werden (muss), Forschung als Beruf mit erlernbaren Kompetenzen zu vermitteln“ (S. 31).

Die Machtfrage an die Karrierenetzwerke

Im dritten Kapitel „Rahmenanalyse 2: Die Machtfrage an die Karrierenetzwerke“ analysiert sie Schließungsmechanismen und Veränderungstendenzen in der Wissenschaft. Es gibt unterschiedliche Ziele und unterschiedliche Prozesse, bzw. Wechselwirkungen in Universitäten, die die Unterstützung der Karriereentwicklung von Nachwuchswissenschaftlern und Nachwuchswissenschaftlerinnen erschweren. Zudem beeinflussen politische Entscheidungen, wie zum Beispiel die Bildungsreform, Karriereentscheidungen und Möglichkeiten. Hier fällt mir übrigens ein, dass auch die jüngste Reform, bzw. die Umsetzung der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nicht unbedingt unterstützend für eine Karriereplanung von Promovierenden ist.

Nicht von der Hand zu weisen ist außerdem, dass „das Führungsnetzwerk der deutschen Wissenschaft (.) bekanntlich eine deutsche, bildungsbürgerliche und männliche Netzwerkstruktur“ (S. 39) aufweist.

Menschen wollen und brauchen Planungssicherheit. Das ist etwas, was in der Wissenschaft, zumindest für Nachwuchswissenschaftler_innen, nicht zu finden ist, weder was die Beschäftigungssicherheit noch die verbindliche Karriereplanung angeht. Eine wissenschaftliche Karriere bedeutet für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in ihrem Feld und darüber hinaus sichtbar zu werden. Einerseits steigen somit die Chancen für eine Karriere, andererseits entstehen und verschärfen sich wissenschaftliche Konkurrenzverhältnisse. Generell ist das Feld der Wissenschaft ja auch nicht gerade als fehlerfreundlich und konstruktiv unterstützend bekannt.

Als Idee, dieses Dilemma aufzulösen stellt die Autorin ein „Netzwerkcoaching“ vor. Dieses ist sinnvoll, um Arbeitsmarktlogiken sichtbar zu machen, Karriereentwicklungsprozesse zu unterstützen und hilfreiche Netzwerke in und außerhalb des akademischen Arbeitsmarktes aufzubauen. Dabei sind nicht nur die Promovierenden und Postdocs gefragt, denn um „Transparenz der Karriere und Berufungsprozesse“ (S. 66) zu schaffen sind auch die Verantwortlichen auf (meist entfristeter) wissenschaftlicher und institutioneller Führungsebene gefragt. Das setzt voraus, dass diese auch im Hinblick auf Beratung und Coaching professionalisiert werden. Ich folgere daraus, dass die schlechten Bedingungen des akademischen Arbeitsmarktes nicht das Privatproblem der Promovierenden und Postdocs sein sollten.

Netzwerkorientierte Karrierekonzepte an Schnittstellen, Grenzübergängen und Statuspassagen: Das Spiel zwischen den Spielen

In dem Kapitel „Netzwerkorientierte Karrierekonzepte an Schnittstellen, Grenzübergängen und Statuspassagen: Das Spiel zwischen den Spielen“ (S. 69) stellt die Autorin fünf von ihr entwickelte Netzwerkdimensionen in Karriereprozessen vor. Dazu nutzt sie die Erfahrungen und Prozesse, die sie als Coach in 18 Jahren ihrer beruflichen Praxis gemacht hat und stellt in einer Art Typenbildung die Netzwerkdimensionen vor.

Transversale Karrieren“ (S. 70) sind Karrieren, die durch unterschiedliche Wechsel von Tätigkeiten geprägt sind, also ein Wechsel zwischen Wissenschaft, wirtschaftsnaher Tätigkeit, und beispielsweise politischem Amt oder eigenständiger, künstlerischer Ausübung.

Die „Verbindende Karriere“ (S. 75) ist der „Transversalen Karriere“ ähnlich, allerdings verbinden die Akteure hier die Tätigkeit in den unterschiedlichen Karrierefeldern, anstatt sich auf jedes Feld einzeln zu fokussieren. Gleichzeitig sind sie auch die Verbindungen in diesen Feldern.

Die „Konnotierte Karriere“ (S. 81) ist eine Netzwerkdimension von Karriere, die äußeren Bedingungen nach Stereotypen auflöst. Dieser Karriere ist immer eine Abweichung von der Karrierenorm (S. 82) zum Beispiel „Geschlecht“, „Vereinbarkeit von Familie“, die zur Auflösung spezielle Lösungswege benötigt.

Die „Symbolbewusste Karriere“ (S. 87) meint einen Karriereweg, der mit Führung ohne Legitimation verbunden ist – jedenfalls schließe ich das aus der Fallbeschreibung. In der Wissenschaft, in der die Hierarchiestruktur manchmal bedingt, dass Menschen Führungspositionen ohne Legitimation wahrnehmen, wenn beispielsweise eine Projektleitung keine Personalführungslegitimation hat, erschweren viele Hindernisse den Karriereweg.

Die „Erfahrende Karriere“ (S. 92) bedeutet eine Karriere, deren Netzwerkdimension sich auf internationale Erfahrungen bezieht.

Praxisteil: Self Quest: Das Netzwerkspiel spielen

Der „Praxisteil: Self Quest: Das Netzwerkspiel spielen“ (S.101) zeigt auf, wie die Diagnose vorhandener Netzwerke, die Prüfung der Netzwerke im Hinblick auf Karriereziele, die Aktivierung von Ressourcen, die Auswahl einer Taktik der Besetzung von Rollen in der Karriereplanung und die Planung einer Netzwerkstrategie praktisch vonstattengehen kann. Hier werden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Coaches und Berater_innen unterstützt, sich mithilfe von Coaching-Fragen diesen Themen anzunähern.

Netzwerke in der Wissenschaft

In dem Buch treffen Theorie und Praxis aufeinander. Die Autorin entwickelt Thesen, die sie mit praktischen Erfahrungen ergänzt und in Handlungsempfehlungen umwandelt. Diese Empfehlungen sind hilfreich für alle, die im Bereich Nachwuchsförderung: Wissenschaft, tätig sind. Das betrifft die Ebene der Promotionsbetreuung und die Beratung von Postdocs ebenso wie die akademische Personalentwicklung. Auch Coaches, Beratende und Trainer /Trainerinnen im Feld des Wissenschaftscoachings profitieren von diesem Buch.

Das liefert Erkenntnisse, die sich in Handlungsempfehlungen transferieren lassen für Hochschulleitung und Hochschulmanagement, Personalentwickler_innen und Verantwortliche der Nachwuchsförderung, zum Beispiel Koordination der Graduiertenförderung. Beschrieben werden Unterschiede, Logiken und Durchlässigkeiten von akademischen und nicht-akademischer Arbeitsmärkten und die Möglichkeiten, die diese Arbeitsmärkte für die akademische Personalentwicklung bieten. Und sie zeigen, wie Netzwerke für Wissenschaftler-innen in und außerhalb der Hochschulen funktionieren.

Zielgruppe des Buches sind auch Forscher und Forscherinnen, die zu Karrierewegen und Netzwerken, insbesondere in der Wissenschaft arbeiten. Coaches und Beratende im Feld der Wissenschaft bekommen hier einen Einblick in Strukturen der Karriereplanung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in und außerhalb der Wissenschaft und dürfen von der langjährigen Praxis der Autoren profitieren.

Zielgruppe sind ebenfalls die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selber. Sie erhalten Orientierung, ihre Karriereplanung und Netzwerkstrategien zu überprüfen bzw. zu planen. Viele hilfreiche Coachingfragen unterstützen den Prozess.

Ich gebe zu, mir fiel das Lesen dieses Buches nicht ganz so leicht, ich fand es etwas kompliziert geschrieben. Obwohl vor jedem Kapitel vorbildlich und ausführlich erläutert wurde, was dieses Kapitel beinhaltet, hatte ich Probleme, das Gelesene in einen Gesamtkontext einzuordnen und einer Zielgruppe zuzuordnen. Ich habe auch einige Sprünge nicht nachvollziehen können, gebe aber zu, dass ich den Begriff „Netzwerkcoaching“ und den Netzwerkanalyseansatz „Netquest“ vor der Lektüre dieses Buches nicht gekannt habe und im Buch auch keine Definition dazu gefunden habe.
Die Netzwerkdimensionen basierten zwar auf typisierten Fällen, beim Lesen habe ich mich aber immer wieder gefragt, inwieweit diese verschiedenen Dimensionen miteinander in Beziehung stehen.

Insgesamt konnte ich sehr von dem Buch profitieren, weil es für mich als Koordinatorin eines Nachwuchsprogramms und auch als Coach und Trainerin interessant ist und mich weiter zum Nachdenken angeregt hat.

Ich konnte weiter über die Fragen nachdenken, wie Promovierende ihre wissenschaftliche Kompetenz und ihre „wissenschaftliche Bildung“ auch außerhalb der Wissenschaft sichtbar und nutzbar machen können. Und wie ein Netzwerk Wissenschaft und Wirtschaft verbindet. Mich beschäftigt schon viele Jahre die Frage, welches Interesse Universitäten haben könnten, ihren wissenschaftlichen Nachwuchs für den nicht akademischen Arbeitsmarkt fit zu machen. Und natürlich wie sie es tun könnten und wie man eine Kooperation zwischen akademischen und nicht-akademischen Feldern gestalten könnte.
Bisher liegt die Lösung für dieses Problem bei den Promovierenden und Postdocs selber. Ich persönlich finde das unverantwortlich und denke, es gibt noch eine Menge zu tun!

* Das Beitragsbild ist aus dem Cover des Buches ausgeschnitten

 

Auch empfehlenswert!

 

Karriereplanung

Promotion – Postdoc – Professur: Karriereplanung in der Wissenschaft. Mirjam Müller (2014) Campus Verlag. Ein wirklich hilfreiches Buch für Promovierende, sinnvollerweise in der Abschlussphase, oder aber bereits frühzeitig, wenn in der Promotionsphase erste Weichen gestellt werden sollen. Das Buch ist optimal für Postdocs, die sich in Richtung Professur entwickeln wollen – oder auf eine Professur bewerben möchten – hier helfen viele konkrete Tipps auch bei der Verschriftlichung der bereits erworbenen Qualifikationen. Ebenfalls hilfreich ist das Buch für alle, die im Bereich der Promotionsförderung arbeiten oder Promovierende betreuen.

Dieses Buch bereitet auf ein Berufungsverfahren in der Wissenschaft vor. Dabei werden sowohl die Phase der Bewerbung, die Phase des Berufungsvortrags, sowie die Berufungsverhandlungen thematisiert

Blackbox Berufung (2011) Christine Färber Ute Riedler. Strategien auf dem Weg zur Professur
Ein Buch, für alle, die sich auf eine Professur bewerben möchten und die noch nicht viel darüber wissen. Für alle jene, die als wissenschaftliche Mitarbeiter/in bereits mit Berufungsverfahren vertraut sind, ist das, was in dem Buch steht, möglicherweise nicht alles neu. Als Vorbereitung und Gedankenstütze trotzdem bestens geeignet. Außerdem ist das Buch von 2011 und möglicherweise gibt es bereits neue Tipps. Als Bewerbungsratgeber dennoch durchaus brauchbar, hält das Buch viele Informationen bereit.