Gendern in der Dissertation oder nicht und wenn ja, wie?
Wie hältst Du es mit der geschlechterinklusiven Sprache in Deiner Dissertation? Ist das ein Thema für Dich oder eher nicht?
Gendern in der Dissertation oder nicht und wenn ja, wie?
Geschlechterinklusive Sprache in der Dissertation
Gendern bedeutet, Sprache so zu verwenden, dass sie alle Geschlechter einschließt. Die Bezeichnung von Personen als männlich, weiblich oder divers ist ein Thema, an dem sich in Deutschland die Geister scheiden. Genderverbot, Gendergebot, juristische Bewertungen, Eckpunktepapiere und Verhandlungen zu Koalitionsverträgen zeigen die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema.
Viele Befürworter*innen des Gendering argumentieren, dass es die Sichtbarkeit von Frauen und nicht-binären Personen in der Wissenschaft erhöht. Es trägt zur Schaffung einer inklusiveren und vielfältigeren Wissenschaftskultur bei. Außerdem kann es die Lesbarkeit für Personen, die sich nicht im generischen Maskulinum wiederfinden, verbessern.
Kritiker*innen merken an, dass Gendern die Lesbarkeit von Texten erschweren kann. Sie befürchten, dass der wissenschaftliche Inhalt durch die Fokussierung auf korrekte Sprachformen in den Hintergrund rückt. Zudem argumentieren sie, dass das generische Maskulinum traditionell Geschlechterneutralität symbolisiert (was es erwiesenermaßen aber nicht tut).
Wer eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, muss sich meist früher oder später die Frage stellen, wie Geschlecht in der Dissertation adressiert wird.
Und wenn gendern, dann wie? Schließlich gibt es einige Ausprägungen der geschlechtergerechten Sprache.
Meine Gästinnen im Podcast
Kerstin Balkow promoviert zu Geschlechterverhältnissen im wissenschaftlichen Diskurs der sozialen Arbeit und ist eine der Sprecherinnen der Sektion Gender und Queer Studies in der sozialen Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit.
Melanie Bittner arbeitet zu den Themen Gender, Diversity und Antidiskriminierung. Sie bietet Workshops, Vorträge und Moderationen an. Einer ihrer Schwerpunkte ist gender- und diversitysensible Hochschullehre. Dazu hat sie an der Freien Universität Berlin die Toolbox Gender und Diversity in der Lehre konzipiert und umgesetzt.
www.melaniebittner.de und https://gendersternchen.org/
Wer promoviert, muss sich meist früher oder später die Frage stellen, wie Geschlecht in der Dissertation adressiert wird. Diejenigen die ihre Dissertation auf Deutsch schreiben, müssen sich entscheiden, ob sie das generische Maskulinum verwenden, oder ob sie gendern.
Und wenn gendern, dann wie? Schließlich gibt es einige Ausprägungen der geschlechtergerechten Sprache.
Gendern in der Dissertation
Die Diskussion um das Gendern hat sich weiterentwickelt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 die „dritte Option von Geschlecht“, nämlich „divers“ rechtlich verankert hat.
In der Dissertation gendern – oder nicht?
Mit der Expertin Melanie Bittner spreche ich im Podcast über das Thema der geschlechtergerechten Sprache in der Dissertation. Dabei geht es vor allem darum, ob man in der Dissertation gendern soll und wenn ja, wie das möglichst gut geschehen kann.
Melanie Bittner ist Beraterin für Gender, Diversity und Antidiskriminierungskultur. Dabei berat sie u.a. Hochschulen zu den Themen Gender- und diversitätsbewusste Lehre, Gleichstellungsarbeit und diversitätsbewusste Sprache.
Hier zur Webseite von Melanie Bittner: https://www.melaniebittner.de/
Hilfreiche Links zum Thema genderegechte, gendersensible Sprache:
Melanie Bittners Empfehlungen:
Genderleicht: www.genderleicht.de
Geschickt gendern: https://geschicktgendern.de (als Anregung, mit Bedacht nutzen)
besonders gute Handreichungen/Empfehlungen, gibt es mittlerweile an vielen Hochschulen:
- Universität zu Köln: Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache
- TU Berlin: Gendersensible Sprache. Ein Leitfaden.
Auch empfehlenswert sind diverse Blogbeiträge, Interviews u.ä. von/mit dem Linguisten Anatol Stefanowitsch
z.B. das Buch Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen (Duden, 2018)
- Bundesverband der Kommunikatoren e.V. (BdKom): Kompendium Gendersensible Sprache. Strategien zum fairen Formulieren.
- AK ProNa: Mein Name ist. Mein Pronomen ist.
- Beaufays, Sandra; Herrmann, Jeremia; Kortendiek, Beate (2022): Geschlechterinklusive Sprache an Hochschulen fördern. Handreichung. Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW.
- Lembke, Ulrike: Verfassungswidrige Sprachverbote, in: Verfassungsblog, 24.11.23.
Zum hessischen Verbotsversuch die Stellungnahmen des Cornelia Goethe Zentrums für Geschlechterforschung,
- des Promotionskolloquium zur Genderforschung des Gender- und Frauenforschungszentrums der Hessischen Hochschulen,
- der Landeskonferenz der hessischen Hochschulfrauen- und Gleichstellungsbeauftragten
- der Sektion Gender- und Queer Studies der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit.
Wer sich für Forschung zum Thema interessiert:
Kotthoff, Helga, Nübling, Damaris, Schmidt, Claudia (2018): Genderlinguistik : eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht. Tübingen: Narr Studienbücher.
Gendergerecht schreiben – wie geht das?
Zunächst ist eine Entscheidung zu treffen, ob gegendert wird und wie das geschehen soll.
Theoretisch möglich sind Binnen-I, Gendersternchen und Doppelpunkt, wobei das Binnen-I als ältere Variante für 2 Geschlechtsoptionen gilt. Mit der rechtlich verankerten dritten Geschlechtsoption ist es also eher nicht passend.
Melanie Bittner: „Bei Gendersternchen und Doppelpunkt sind alle Geschlechter inklusiv. Ich verwende das Sternchen, weil ich den Eindruck habe, das hat sich am meisten durchgesetzt und weil es auch am besten im Hinblick auf Barrierefreiheit ist.“
Das „wie“ wäre also geklärt, nämlich nach eigenen Vorlieben, wobei das Gendersternchen vielleicht sogar mehr Diversität zulässt, weil es im Gegensatz zum Doppelpunkt nicht nur zwei, sondern gleich mehrere Geschlechter zulässt.
Wer die Entscheidung des Genderns für die Dissertation treffen muss, sollte die Kriterien Fachkultur, Promotionsbetreuung und Verlagsanforderungen beachten:
Wie offen ist die Fachkultur für eine geschlechtergerechte Sprache in wissenschaftlichen Arbeiten?
Wenn sie eher offen für geschlechtergerechte Formulierungen ist, fällt es sicher leichter. promovierende müssen sich dann nicht dauernd für ihre Entscheidung gendergerecht zu formulieren, rechtfertigen
Wie steht die Promotionsbetreuung zum Thema Gendern in der Promotion?
Auch hier ist es einfacher, wenn Promotionsbetreuung, bzw. Gutachter*innen dem Gendern in der Dissertation positiv gegenüberstehen. Das wirkst sich dann wahrscheinlich eher nicht negativ auf die Benotung aus.
Wie steht der Verlag zur geschlechtergerechten Sprache in einer wissenschaftlichen Arbeit?
Jede Dissertation muss irgendwann auch mal veröffentlich werden. Wird die Dissertation online veröffentlicht, ist es eher einfach. Die Universitätsbibliothek prüft nicht den Inhalt, sondern bestätigt, dass alle Formalitäten eingehalten wurden.
Dann ist die Frage, ob es irgendwelche Vorgaben des Verlags gibt. Gibt es keine Vorgaben, kannst Du entscheiden, wie Du es machst.
Gendern in der Dissertation ist also eine individuelle Entscheidung.