Wie organisiert eigentlich eine Promovierende aus der Computerlinguistik ihre Dissertation? Dazu sollte man erst einmal wissen, was Comuterlinguistik ist. Wikipedia sagt, dass Computerlinguistik eine Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Informatik ist.
Beispielsweise immer dann, wenn Maschinen sprechen, ist Computerlinguistik im Spiel.

Anika Westburg promoviert berufsbegleitend im Fach Computerlinguistik. Titel ihrer Arbeit: What Makes Parsing Exercises Hard? – An Evaluation How to Measure the Difficulty of E-Learning Tasks.

Für uns hat Anika mal aufgeschrieben mit welchen Tools sie arbeitet. Alle Bilder sind von Anika Westburg. Unten ist ein Video von Anika verlinkt, in dem sie Antworten auf Fragen zum berufsbegleitenden Promovieren gibt.

Ein Dissertations-Workflow der besonderen Art

von Anika Westburg
Ich benutze ein ungewöhnliches, komplexes Setup für mein Dissertationsprojekt, das ich im Folgenden vorstelle. Das ist keine Empfehlung, es mir gleichzutun, aber zeigt, was möglich ist und inspiriert vielleicht den ein oder anderen dazu, neue Wege zu beschreiten, wenn es den eigenen Arbeitsprozess weiterbringt.

Im Überblick besteht mein Setup aus diesen Komponenten, die ich im Folgenden einzeln vorstelle: 

Citavi

Meine Literatur mit Zitaten etc. hab ich für meine Dissertation anfangs in einer Textdatei gesammelt, da das 100 Einträge-Limit nicht ausreichen würde. Für kleinere Projekte mag das gehen, doch allmählich wurde es unübersichtlich. Dann habe ich erfahren, dass ich über meine Uni die unbegrenzte Version von Citavi bekomme und bin dahin umgezogen. Damit finde ich viel leichter Zitate wieder und das einfache Exportieren ins Bibtex-Format unterstützt die Erstellung mit Latex.

Citavi_Coachingzonen

LaTex

Nachdem ich alle meine Abschlussarbeiten, die meisten meiner Hausarbeiten und viele weitere Dokumente in LaTex verfasst habe, schätze ich sehr, wie viel Arbeit es mir abnimmt. Latex erledigt alle Aufgaben, die nicht zum Schreibprozess gehören: das Erstellen von Inhaltsverzeichnis, Literaturverzeichnis, die Formatierung. Ich schreibe an die entsprechenden Stellen Befehle, wie „das hier ist eine Überschrift“, „zitiere diese Quelle hier“ oder „erstelle hier ein Inhaltsverzeichnis“ und Latex erledigt den Rest.

Scrivener

Scrivener hatte ich mir für private Schreibprojekte in der Freizeit besorgt, da ich hier mit komplexen Notizen in einer linearen Textdatei bald die Übersicht verloren habe. Auch in meiner Dissertation empfand ich bald das Bedürfnis, Abschnitte an andere Stellen zu verschieben und war mir bei anderen noch nicht sicher, wo sie hingehörten. Scrivener erlaubt mir, die Struktur der Dissertation baumartig darzustellen und ich kann Absätze eines Abschnitts bei Bedarf als mehrere Objekte darstellen und separat handhaben. Das Verschieben von Abschnitten und Absätzen wird einfach per Drag and Drop im Baum erledigt. Die Freiheit, Texte und Notizen nebeneinander zu organisieren, motiviert mich und das Schreiben fällt mir leichter.

In Scrivener hab ich meine ursprüngliche Latex-Datei eingefügt und in die verschiedenen Scrivener-Objekte zerschnitten, sodass die Latex-Struktur samt aller Befehle erhalten bleibt.

Hier ist ein Screenshot meines Projekts in Scrivener:

 

Promovieren mit Scrivener

Ich benutze Icons in grün, gelb und rot, um festzuhalten, in welchem Status sich der Textabschnitt befindet. Rot ist bspw. eine Sammlung von Notizen, mit oder ohne Überschrift und heißt, dass noch viel Arbeit zu tun ist. Gelb heißt, dass der Text fast fertig ist, aber es gibt noch einige Kommentare, die berücksichtigt werden müssen oder andere Kleinigkeiten zu erledigen. Grün ist „fertig“ in dem Sinne, dass da ein vollständiger Text steht, den ich notfalls so abgeben könnte, der aber gerne überarbeitet werden darf. Kürzlich hab ich angefangen, weiterführende Infos für mich, beispielsweise Rohdaten die ich in einem Text zusammenfasse, mit in das Projekt zu hängen und mit einem Schloss-Icon zu markieren als Zeichen, dass ich sie nicht mit ausgeben lasse. Hingegen im reinen Latex kann man Kommentare nur zeilenweise setzen.

Am Ende eines Schreibtages lasse ich die Dissertation von Scrivener als Reintext zur Weiterverarbeitung ausgeben und kopiere diesen in meine Latex-Datei.

Texmaker

Texmaker ist irgendein Editor für Latex, von denen ich bereits unterschiedliche verwendet habe und bin bei der Auswahl recht emotionslos. Allerdings compiliere ich das Dokument lokal, um irgendwelche Fehler zu beheben, die ich vielleicht eingebaut habe. Zum anderen benutze ich die Vorschau, um mit Rechtsklick die Anzahl der Wörter in dem PDF der Dissertation abzufragen, die ich in einer täglichen Schreib-Statistik festhalte.

Promovieren-TexMaker

Die Latex-Datei befindet sich direkt in einem Intellij-Projekt, daher ist kein weiterer Schritt erforderlich und ich kann jetzt die IDE öffnen.

Intellij IDEA

Da ich für meine Dissertation einige Sachen programmiere, hab ich diese IDE bereits installiert und in Zusammenarbeit mit Git aufgesetzt. Intellij ist mit einem Plugin für Latex ausgerüstet und gibt mir einen Haufen Empfehlungen, mein Dokument zu verbessern, beispielsweise wo Latex noch Labels für Abschnitte braucht.

 Intellij IDEA_Promotion

## GitLab

Git bezeichne ich gerne als Zeitmaschine für Programmiercode – es steckt im Kern von GitLab. Kurz gesagt kann ich damit zu jedem Stand meiner Dissertation zurückkehren und jegliche Änderungen zwischen den Versionen nachverfolgen.
Das private GitLab-Projekt hab ich aufgesetzt, weil ich ein Tutorial gefunden habe, in dem steht, wie man Latex-Dokumente in GitLab baut und wollte ausprobieren, ob ich das auch kann. Es ist eine weitere Sicherungskopie und ich könnte kleinere Änderungen an der Dissertation notfalls online vornehmen, falls ich zu dem Zeitpunkt keinen Zugriff auf meinen Rechner habe. GitLab schickt mir eine Mail, wenn ich vergessen habe, eine neue Quelle in der Literaturdatei zu committen oder Bilder fehlen, die ich referenziere, aber nicht mitgeschickt habe.

Git_Lab_Coachingzonen

Praktisch funktioniert der Flow nur in eine Richtung. Das Zurücksetzen der Dissertation auf einen vorherigen Stand oder Änderungen, die ich in GitLab im Browser vornehme, müsste ich mühsam von Hand nach Scrivener zurückkopieren, daher nehme ich jegliche Änderungen an der Diss ausschließlich in Scrivener vor.

Historisch gewachsen und neu erfunden

Dieses Setup ist historisch gewachsen und funktioniert für mich sehr gut, da es sämtliche Komponenten enthält, mit denen ich gerne arbeite. Allgemein gesehen würde ich davon abraten, da jede Komponente für sich eine hohe Einarbeitszeit erfordert und teilweise zweckentfremdet wurde, doch wenn jemand bereits gewisse Tools zur Verfügung hat, die sich zur Unterstützung des Dissertationsprojekt eignen, kann daraus was Neues und Interessantes entstehen.

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Auf Anikas Youtube-Kanal „SamyaDaleh“ könnt ihr weitere Videos zum  Thema Computerlinguistik anschauen: https://www.youtube.com/channel/UCkaTyQ9EUTOEAa77327T9hw

Dissertations-Workflow_anika_westburg