Eines vorweg: Ich habe noch nie einen Nachruf geschrieben und weiß nicht einmal, welche Konventionen es für Nachrufe gibt und ob ich das überhaupt darf. Aber der Gedanke schwirrte mir schon seit Tagen im Kopf herum und so habe ich es einfach getan!

 Sigrid Metz-Göckel ist am 11.02.2025 gestorben.

 

Ein persönlicher Nachruf, eine Versöhnung und ein Dank an Sigrid Metz-Göckel

Sigrid Metz Goeckel

Sigrid Metz Göckel oder heimlich auch „die Metzi“ oder SMG genannt, war meine Promotionsbetreuerin und einige Jahre meine Chefin. Ich hatte das Glück, dass sie mein Potenzial erkannte, das ich erst viele Jahre später für mich entdeckte.

Mit meinem „Promotionsexposé“, von dem ich nicht wusste, dass es keines war, hätte mich wahrscheinlich jede andere Promotionsbetreuung gar nicht erst angenommen. Sie zog nur die Luft durch die Zähne, dass es wie ein Pfiff klang und machte mir klar, dass eine halbe Seite mit ein paar Stichworten kein Promotionsexposé ist. „Mitnichten ist das ein Exposé“, sagte sie und brachte mir nebenbei bei, was „mitnichten“ bedeutet.

Meine Promotionszeit war eine Zeit voller Zweifel, und wenn sie je Zweifel an mir hatte, Heimkind, Hauptschulabschluss, Bürokauffrau, Fachoberschule, dann hat sie es nie gezeigt. Dennoch war meine Promotionszeit nicht immer einfach, wie es wohl kaum eine Promotion ist.

Die Haltung, die ich heute als Coach für Promovierende einnehme, hat ihren Ursprung in ihrer Promotionsbetreuung. Im Kolloquium haben wir immer mit zwei Runden begonnen: „Wo stehe ich“ war die erste Runde und dann durften wir erst in einer zweiten Runde reihum jammern und meckern und sagen, was an unserer Promotion gerade schwierig ist.

Ich erinnere mich an ein Promotionskolloquium, in dem ich wohl wieder einmal zweifelnd einen Satz begann und sie mir wortlos einen Zettel zuschob. Darauf stand „Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten“. Es war eine Aufforderung, die genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Manchmal gibt es den richtigen Zeitpunkt für eine Botschaft, und das war der richtige Zeitpunkt und die richtige Botschaft, die ich brauchte.

Als ich einmal aufgeben oder mein Promotionsthema ändern wollte, sagte sie zu mir: „Wissenschaft bedeutet auch, nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird.“ Das hilft mir bis heute.

Sigrid hat den Grundstein dafür gelegt, dass ich heute in der Graduiertenförderung und als Coach für Promovierende tätig bin. Nach meiner Promotion hat sie sich dafür eingesetzt, dass ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hochschuldidaktischen Zentrum in Dortmund bleiben konnte.

2003 haben wir das Graduiertennetzwerk an der TU Dortmund gegründet und die Graduiertenförderung erfunden, als es noch kaum Graduiertenförderung gab. Da wir außer einem Zuschuss für meine Stelle keine Mittel hatten, habe ich notgedrungen alles selbst gemacht: Schreibcoaching, Beratung, Vernetzung.

Irgendwann, als Sigrid schon lange emeritiert war, wurde auch meine prekäre Stelle nicht mehr finanziert und ich ging. Wir hatten einige Jahre kaum Kontakt, bis wir 2021 gemeinsam einen Podcast zum Thema Promotionsbetreuung gemacht haben. Der gemeinsame Podcast ist eigentlich aus einem Missverständnis entstanden. Sigrid war spontan begeistert – viel mehr als ich, ich war einfach nur nervös.

Der Podcast bedeutet mir heute sehr viel und war einer der besten, den ich je gemacht habe. In unserem Gespräch habe ich viel verstanden und ich fühlte mich versöhnt, mit ihr, mit mir und mit meiner Promotion.

Seitdem hat sie mich oft angerufen oder mir geschrieben, wie toll ich bin. Sie schrieb unter anderem „Deine Sprache ist so locker, fröhlich und mutmachend, Deine positive Haltung wird so schön deutlich, dass ich Dir spontan diese Rückmeldung geben möchte, dass Du ein Geschenk für die Promovierenden bist.“

Als ich schließlich das Buch „Promovierende betreuen“ geschrieben habe, hat sie mich sehr unterstützt. Meine Ideen waren chaotisch und ich rechne es ihr hoch an, dass sie den ersten Entwurf überhaupt gelesen hat. „Das kannst du besser, schreib, was DU denkst“, hat sie immer wieder gesagt und auf meine Expertise gepocht. Bis ich mich endlich getraut habe. Ich hatte sie um ein Vorwort gebeten, das sie aus gesundheitlichen Gründen leider ablehnen musste.

Aus ihrer Abschiedsvorlesung ist mir der letzte Satz in Erinnerung geblieben: „Ein bisschen Größenwahn steht jeder Frau“. Dieser Satz begleitet mich seither und ich hoffe, dass ich ihn oft genug beherzigt habe.

Ich hoffe und traue mir zu, dass ich mich bei ihr bedankt habe. Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe die Promotionsbetreuung, vor allem aber ihren Einsatz für meine Beschäftigung an der TU Dortmund immer als selbstverständlich angesehen. Das war sie aber nicht.

Danke für alles, Sigrid!