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Mehr Farbe in die Forschung

oder wie ich mit bunten Stiften die Schöpferkraft der Wissenschaft erhalte:

Wenn ich erzähle, dass Läden für Bürobedarf meine Lieblingsläden sind, merke ich, dass ich damit nicht alleine bin. Viele Menschen kennen dieses Phänomen.

Es macht mir Spaß in Läden für Bürobedarf zu gehen und mich durch das Sortiment zu stöbern. Kladden, Notizbücher und Hefte in allen Farben und vielen Größen, edel oder einfach mit dünnem oder dickem Papier, weiß, liniert, kariert oder dottet, gänzlich unbeschrieben lachen mich an und wollen in meinen Einkaufskorb.

Was Papier angeht, kann ich mittlerweile widerstehen, auch weil die dicken Hefte schwer in der Tasche liegen. Anders ist das bei Stiften, die locken mich mit ihren Texturen und unzähligen Farben, mattschwarz, oder leuchtend oder aber Pastell. Ich komme nicht dran vorbei.

Ich habe bereits Kisten, Kästen, Federmäppchen oder alte Zigarrenschachteln voll mit Stiften. Bleistifte, Fasermaler, Füller, Buntstifte, Ballpens, Stifte mit Acryllack oder Brushpens, mit und ohne Glitzer, wasserfest und wasserlöslich – ich habe alle. Ich habe günstige Stifte und ich habe ganz teure Stifte. Ich habe Stifte aus Deutschland, aus England und Stifte aus Japan.
Manchmal trocknet ein Stift aus, aber eher selten und wenn, dann freue ich mich eher, weil ich dann ja vielleicht neue kaufen kann.

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Überall in meinem Büro gibt es kleine Inseln mit Papier und einen kleinen Vorrat an Stiften zum Zeichnen, skizzieren, schreiben.

Und ich skizziere und schreibe viel. Ich notiere alle Ideen, mache Entwürfe für den Podcast, Blogbeiträge, Workshopkonzepte und mehr. Erst schreibe ich mit der Hand. Manchmal, wenn ich im Flow bin und mir das Papier ausgegangen ist oder wenn ich keine Zeit habe, welches zu holen, weil ich dann vielleicht den Faden oder die Ideen verliere, schreibe ich einfach mit einer anderen Farbe über das bereits Geschriebene drüber.

Bevor ich schreibe, mache ich meist eine Visualisierung von dem, was ich schreiben will. Ich zeichne eine Gedankenlandkarte, mit einem Weg, einem Ziel und Zwischenstationen. Manchmal mache ich vorher, manchmal aber auch nachdem ich meine Gedanken in eine Landkarte gezeichnet habe, ein Cluster, bei dem ich das Thema, zu dem ich schreiben möchte, in die Mitte schreibe. Dann sammle ich erst mal alle Ideen und Argumente und suche nach Verbindungen, Schwerpunkten und krame versteckte Gedanken aus meinem Kopf heraus. Oft ergeben sich aus meinem visuellen Brainstorming sogar neue Themen, die ich für nächste Texte notiere.

Dann schreibe ich los. Manchmal muss ich mehrmals den Stift wechseln, weil er nicht gut gleitet und ich nicht schnell und flüssig genug schreiben kann. Oft brauche ich ziemlich bald eine zweite Farbe, um Ideen, die zwischendurch auftreten, zu notieren oder um weitere spannende Gedanken, die während des Schreibens entstehen, zu markieren.

Ich schreibe immer erst mit der Hand. Damit kann ich das Blatt besser nutzen und muss nicht in Reihen schreiben und kann schnell mit Pfeilen, Symbolen und Farben Verbindungen schaffen. Und ich darf händisch Gedanken, die zunächst wild und verwegen sind, die ich mir sonst nicht erlauben würde, aufschreiben. Manchmal male ich Ausrufezeichen, Fragezeichen, Smileys, Blumen oder Glühbirnen in den Text. Dort kann ich zu einem anderen Zeitpunkt weiterdenken – oder auch nicht. Und vielleicht streiche ich nach dem ersten Lesen Sätze oder Absätze wieder, aber sie sind noch da, anders als wenn ich sie im Textverarbeitungsprogramm löschen würde.

Die Mischung aus Schreiben und buntem Visualisieren führt dazu, dass ich neue Gedanken entdecke, entwickle, kombiniere und vielleicht sogar Zusammenhänge finde, die ich mit der Tastatur und dem Textverarbeitungsprogramm nie finden würde

Erst, wenn ein Entwurf oder manchmal auch ein Abschnitt runtergeschrieben ist, tippe ich den Text in das Textverarbeitungsprogramm. Dann merke ich schnell, dass das schon die erste Überarbeitungsschleife ist. Und wir wissen alle, dass die Qualität eines Textes in der Überarbeitung liegt.

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Und wer so arbeitet wie ich, braucht natürlich viele Stifte, möglichst bunt. Wenn ich zur Arbeit gehe, nehme ich eine ganze Mappe von Stiften mit, wenn ich verreise, sogar zwei. Wenn ich Präsenz-Schreibworkshops gebe, hänge ich mir gerne eine Tasche mit Stiften an den Gürtel, fast so wie ein Cowgirl ihren Colt oder eine Kellnerin ihre Geldtasche.

Und ich lege auf alle Tische Bündel mit Stiften, weil ich weiß, dass bald, nachdem Teilnehmende zu den Stiften greifen, neue Denk- und Schreibräume entstehen können.

Ich nehme mir immer wieder vor, dass ich nicht in Schreibwarenläden gehe und ich auf keinen Fall neue Stifte kaufe – meist erfolglos.  Und kürzlich habe ich mich gefragt, was eigentlich dahintersteckt. Warum braucht ein Mensch mehr Stifte, als er je verbrauchen kann? Nur um kreativ zu schreiben? Warum braucht ein Mensch sechs unterschiedliche Farben Grün?

Vielleicht war es der Kunstunterricht in der Schule, die ewig schlechte Note in Kunst, die mir vermittelt haben, dass ich nicht begabt bin. Und wer nicht künstlerisch begabt ist, ist nicht kreativ und kann andere nicht inspirieren?

Vielleicht kaufe ich so viele Stifte, weil ich will, dass das Leben bunt ist. Wahrscheinlich ist aber, weil ich auch ohne Ahnung von Kunst gestalte, experimentiere, ausprobiere, kommuniziere.

Vielleicht aber auch, um sich daran zu erinnern und herauszustellen, dass wissenschaftliches Arbeiten, auch schöpferisches Gestalten ist. Wissenschaft ist Kunst. Wissenschaftler*innen müssen kreativ sein, um neue Erkenntnisse zu generieren, zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Vielleicht wäre mir die Wissenschaft ohne bunte Stifte zu langweilig.

Ein publiziertes, wissenschaftliches Paper ist ein Kunstwerk, aber es bekommt keine Vernissage mit Champagner und Häppchen. Es hat keinen Sammlerwert, wird nicht auf Auktionen für viel Geld verkauft, und nicht im Museum ausgestellt.

Dennoch inspiriert es, eröffnet neue Denk- und Handlungsräume und wird diskutiert, gedeutet, kritisiert genauso wie ein Kunstwerk. Und es gibt die jungen Wilden genauso wie die alten Meister*innen. Und die Schüler*innen, die für die alten Meister*innen arbeiten und deren Werke verbreiten und verschönern.

Ich denke, dass ich Stifte kaufe, als Zeichen, für die Kunst in meiner Arbeit, für meine Kreativität.

Aber ich denke, vor allem kaufe ich Stifte und nutze sie, weil ich mir wünsche, dass Wissenschaftler*innen sich auch als Künstler*innen als Schöpfer*innen sehen. Weil ich mir wünsche, dass die Inspiration mehr als Fleiß und Selbstzweifel im Vordergrund des wissenschaftlichen Arbeitens steht.

 Ich kaufe Stifte, um die Schaffensfreude des wissenschaftlichen Arbeitens zu erhalten.

Und dann macht es Sinn, Stifte zu haben und zu nutzen. Fünf unterschiedliche Farben und Texturen, grün, blau, rot, gelb, rosa und alle Schattierungen davon zu haben, inspirieren nicht nur mich, sondern sind mein Dienst an der Wissenschaft. Auf dass sie kreativ, leicht und schöpferisch wird und bleibt.

Wenn also der Besitz von mehr Stiften, als ich je verbrauchen kann, mir dabei hilft, die Schöpferkraft der Wissenschaft zu retten, dann tue ich ein gutes Werk. Schreibwarenläden, ich komme!

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