Die Dissertation auf Englisch oder Deutsch schreiben?

Mich erreichte vor kurzem folgende Frage:

„Hallo, ich bin in der Endphase meiner Promotion und plane ca. 1 Jahr bis Abgabe. Die meisten meiner Paper sind auf Englisch, die Fachliteratur auch. Deutsch schreiben fällt mir allerdings leichter. Ich bin mir nicht sicher in welcher Sprache ich schreiben soll. Über meine Karriereplanung auch noch nicht. Englisch wäre bestimmt für eine Forscherkarriere an der Uni hilfreich?!“
Vielen Dank für die Frage, denn diese Frage stellen sich viele Promovierende! Für viele internationale Promovierende ist die Frage sogar, ob sie in ihrer Muttersprache, in deutscher oder in englischer Sprache schreiben sollen.

Weil diese Frage nicht so einfach zu beantworten ist, möchte ich hier einige Aspekte zur Entscheidungsfindung aufzählen. Bedenken solltest Du folgende Aspekte:

Was sagt die Promotionsordnung?

Zunächst ist das wichtigste, dass die Promotionsordnung das Verfassen der Dissertation in englischer Sprache erlaubt. Das ist zwar in den meisten Promotionsordnungen der Fall, ich möchte es nur hier nicht unerwähnt lassen, weil der formale Aspekt einer der wichtigsten ist (es wäre doch zu ärgerlich, dass man die mühselig, in einer Fremdsprache geschriebene Dissertation einreicht und dann die rote Karte bekommt).

Was sagt die Promotionsbetreuung?

Es kann hilfreich sein, sich zu der Frage, in welcher Sprache die Dissertation verfasst sein soll, den Rat der Promotionsbetreuung einzuholen. Doktorvater, bzw. Doktormutter haben die Expertise im Forschungsfeld und können möglicherweise noch einige Aspekte zur Entscheidungsfindung beisteuern. Außerdem kann man bei der Erörterung dieser Frage auch herausfinden, was für den Begutachtungsprozess noch so zu beachten ist, z.B. beim Layout, der Seitenzahl, usw..

Was ist in der Fachdisziplin üblich?

In manchen Disziplinen ist es bereits üblich, in der Wissenschaftssprache „Englisch“ zu schreiben. Forschung erstreckt sich über die globalisierte Welt und international wird per Internet kommuniziert. Wer will, dass die eigenen Forschungsergebnisse auch international diskutiert werden, muss auf Englisch schreiben, denn sonst werden sie schlichtweg vom Rest der „scientific community“ nicht wahrgenommen. Allerdings muss das nicht unbedingt die Dissertation sein – es können auch einzelne Aufsätze international publiziert werden.
Hier ist für die eigene Dissertation zu prüfen, welche Rolle sie (als gesamtes Dokument) in internationalen Kontexten spielen soll – und ob es Sinn macht, strategisch Paper in englischer Sprache zu publizieren – oder die Dissertation auf Deutsch zu schreiben, zum Beispiel, weil das schneller geht.

Welche Publikationsstrategien hat das Forschungsfeld?

Auch die Publikationsmedien verändern sich. Wurde früher noch viel gedruckt, kopiert und verschickt, bzw. als Buch publiziert, geht der Trend heute zu Open Access. Viele wissenschaftliche Informationen werden global frei zugänglich. Informationen zu den unterschiedlichen Open Access-Angeboten der Fächer https://www.open-access.net/informationen-fuer-verschiedene-faecher/.
Hier ist zu überlegen, inwieweit man sich selber der Publikationsstrategie der eigenen Fachdisziplin anpassen möchte oder das ggf. auch verlangt wird. Ohnehin ist auch zu überlegen, die Dissertation online zu publizieren – so wird sie schnell auffindbar, die Forschungsergebnisse können sich schnell verbreiten.

Willst Du schnell fertig werden?

Hier solltest Du überlegen, was Dir leichter fällt. Ist es umständlich und langwierig in Englisch, bzw. einer anderen Sprache als Deiner Muttersprache zu schreiben? Hast Du einen zeitlichen Rahmen, den Du nicht überschreiten darfst und was hast Du in der geplanten Promotionszeit sonst noch zu tun? Es kann auch ganz praktisch sein, die Dissertation in der Sprache zu verfassen, die einem am leichtesten fällt, weil das einfach am schnellsten geht.

Wo willst Du hin mit Deiner Dissertation?

Hat die Karriereplanung etwas damit zu tun, in welcher Sprache die Dissertation geschrieben ist? Es ist möglicherweise leichter und international anschlussfähig, eine Dissertation in englischer Sprache vorweisen zu können. Allerdings könnte es auch eine Rolle spielen, wie viele Paper bereits in Englisch, wie viele Paper gemeinsam mit renommierten und anerkannten Forscher/innen veröffentlicht sind und welche Rolle die Dissertation im Gesamtkontext aller Veröffentlichungen einnimmt. Generell (und das beziehe ich auf die Ausgangsfrage oben) ist es nicht so, dass das Verfassen einer Dissertation in englischer Sprache immer für eine Forscherkarriere an der Universität hilfreich ist. Für die wissenschaftliche Karriere als Nachwuchsforscher/in spielen so viele Aspekte eine Rolle, dass die Frage nach der Sprache der Dissertation fast schon egal ist (da ist die Note vielleicht sogar wichtiger).

Fazit: Ein klares „vielleicht ist die Sprache der Dissertation gar nicht sooo wichtig?“

Schlussendlich gibt es keine richtige und keine falsche Entscheidung zur Frage, in welcher Sprache die Dissertation geschrieben werden soll. Viele Aspekte aus der Fachdisziplin und die Überlegungen zu den Publikationsstrategien spielen eine Rolle. Wesentlich für die wissenschaftliche Karriere (oder die berufliche Orientierung aus der Wissenschaft heraus) ist, was Du sonst noch so machst. Bist Du gut vernetzt? Kannst Du während der Promotionsphase Kompetenzen erwerben, die über Dein Dissertationsthema hinausgehen (Präsentation, Vermittlungskompetenzen, Führungs- und Projektmanagement, Hochschuldidaktische Weiterbildung, usw.) mit denen Du Dich nach der Promotion auf Deinen Wunschberuf bewerben kannst?

Am praktischsten ist es, die Dissertation in der Sprache zu verfassen, die Dir selbst am leichtesten fällt und die die Gutachter/innen lesen können. Etwaige Nachteile, z.B., dass man mit einer in deutscher Sprache geschriebenen Dissertation nicht die Aufmerksamkeit der internationale Forschung erhält, kann dann möglicherweise mit englischen Aufsätzen, bzw. englischsprachigen Papers in relativ barrierefrei erreichbaren Open Access-Zeitschriften wieder wettgemacht werden. Auch die Frage der Karriereoptionen ist in der Relation zum Gesamtpaket zu sehen.

Was meinst Du – gibt es noch weitere Aspekte und wie entscheidest Du Dich?

Visualisieren in der Wissenschaft

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