Lernort Tagung – Buchvorstellung

Promovierende übernehmen nicht selten die Aufgabe, fachliche Inhalte in das Format „Tagung“ zu übertragen und eine Tagung oder Konferenz zu organisieren. Das Wissen, wie eine Tagung organisiert und gestaltet wird, geht an Hochschulen allerdings regelmäßig verloren. Ursache dafür sind die befristeten Verträge des wissenschaftlichen Nachwuchses, die dazu führen, dass vorhandenes (Tagung-) Wissen verloren geht und jede Tagung wieder neu erfunden werden muss.

Ich habe ein Buch entdeckt, was Dir bei der Vorbereitung einer Tagung eine große Hilfe sein kann:
Christina Müller-Naevecke Ekkehard Nuissl (2016) Lernort Tagung. Konzipieren, Realisieren, Evaluieren. wbv-Verlag. Aus der Buchreihe „Perspektive Praxis“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung. 141 Seiten. 19,90 Bei Amazon bestellen (Affiliatelink)

Tagungen sind in der Wissenschaft ein Ort des persönlichen, inhaltlichen Austausches.

Tagungen sind in der Wissenschaft außer dem schriftlichen Dialog in wissenschaftlichen Texten immer noch DER Ort des inhaltlichen Austausches zwischen Expert*innen. Diese dienen der Fortbildung in der Wissenschaft und dort stellen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die wesentlichen Erkenntnisse ihrer Forschungen vor und diskutieren diese untereinander. Die Koordination und die Vorbereitung von Tagungen wird oft an den wissenschaftlichen Nachwuchs delegiert.

Mit seinen vier Kapiteln „die Tagung als Sozialreform“, „die Tagung als Lernort“, „die Tagung als Weg“ und „war‘s das? – Nach der Tagung“ bietet das Buch: „Lernort Tagung“ von Christina Müller-Naevecke Ekkehard Nuissl für all jene, die eine Tagung planen und vorbereiten wollen, 141 Seiten kompaktes Didaktik- und Orga-Wissen.

Das Buch ist hauptsächlich ein organisatorischer Ratgeber zur Tagungsorganisation, der sowohl die Zielsetzung von Tagungen, die inhaltliche Planung und die Methoden der einzelnen Slots und der gesamten Tagung beleuchtet. Mit Tagungen sind hier Konferenzen, Symposien, Meetings, Sitzungen, Workshops, Foren, Kongresse oder andere Versammlungen gemeint.
Eine Tagung kann unterschiedliche Zielsetzungen haben. Tagungen informieren die Scientific Community, sind eine Möglichkeit für Forscher und Forscherinnen sich zu positionieren oder dienen dazu, dass Forschende gemeinsame Ergebnisse zu wissenschaftlichen Themen erarbeiten.
Die Frage im Hinblick auf Tagungen ist aber, wie das vorhandene Wissen geteilt und neu generiert wird. Hier will das Buch anknüpfen und sowohl in organisatorischer Hinsicht wie auch in didaktischer Hinsicht informieren und anregen. Das Buch ist also ein hilfreicher Ratgeber, wie eine Tagung generell organisiert wird und wie eine Tagung didaktisch so aufbereitet wird, dass Wissen geteilt und erworben werden kann.

taguung beitragDie Tagung als Sozialform

In Kapitel eins geht es um die Fragen der Organisation einer wissenschaftlichen Tagung. Wichtig ist es, das Ziel einer Tagung genau zu definieren. Dabei müssen unterschiedliche Akteure berücksichtigt werden, denn nicht alle haben das gleiche Ziel. Was sollte bedacht werden bei der Planung der Tagung, der Zusammenstellung des Programms, des Marketings und der Finanzierung einer Tagung. Hilfreich sind hier die zahlreichen Tipps und vor allem die Checklisten, die auch Organisations-Anfänger*innen ermöglichen, eine Tagung zu planen und vorzubereiten.
Tagungen kosten Geld und die Finanzierung einer Tagung kann selten komplett auf die Teilnehmenden umgelegt werden. Also muss Geld beschafft werden. Wie das geht und wie eine Tagung kalkuliert werden kann, ist ebenfalls im Buch beschrieben.

Die Tagung als Lernort

Während der Mittelpunkt von Kapitel eins die Organisation der Tagung ist, soll sich Kapitel zwei um die didaktische Konzeption einer Tagung drehen. Es werden sowohl die didaktische Dramaturgie als auch die unterschiedlichen didaktischen Formate, wie Vorträge, Podiumsdiskussionen, Einzel-und Gruppenarbeiten, die auf einer Tagung eingesetzt werden können, beleuchtet. Wie kann der Rahmen auf einer Tagung durch die Moderation gehalten werden, welche Zeit-und Pausenplanung ist sinnvoll, welche Medien genutzt werden können und was ist bei den unterschiedlichen Sozialreformen (Plenum, Gruppen- und Einzelarbeiten) zu beachten? Wie können Begrüßung und die Verabschiedung so gestaltet werden, dass sie einen Rahmen bilden? Vorgeschlagen wird beispielsweise, Keynote-Speaker so einzubinden, dass sie an der Tagung teilnehmen und am Schluss der Tagung noch ein inhaltliches Ergebnis-Statement der Tagung, bestenfalls im Bezug zu ihrer Keynote geben können.
Es gibt kaum eine Tagungsteilnahme ohne langweilige, langatmige und uninteressante Vorträge – und da spreche ich aus Erfahrung. Es liegt in der Regel nicht am Thema, sondern an der Präsentation der Vortragenden, die eher damit beschäftigt sind, was sie alles sagen wollen, statt zu bedenken, was die Teilnehmenden interessiert (um das dann didaktisch gut aufzubereiten). Als Organisatorin einer Tagung kann man langatmige Vorträge oft nicht verhindern, aber auch hier geben die Autor*innen hilfreiche Tipps und eine Checkliste zur Vortragsvorbereitung für die Referent*innen.
Ebenfalls hilfreich in Kapitel zwei ist die Vorstellung von Methoden, die auf Tagungen eingesetzt werden können, um Teilnehmer und Teilnehmerinnen miteinander ins Gespräch zu bringen. Murmelgruppe, Round-Robin, Think-Pare-Share, World-Cafè, Fish-Bowl und einige Aktivierungs-Methoden werden beschrieben. Allerdings werden die Methoden kurz angerissen und würden Tagungsvorbereitenden wahrscheinlich nur als kurzer Impuls dienen. Für einen sinnvollen Einsatz sollten die Methoden gründlicher recherchiert werden.
Auch hilfreich ist der Teil zum Umgang mit internationalen Tagungsteilnehmende.

Die Tagung als Weg und War`s das? Nach der Tagung

Kapitel drei, „die Tagung als Weg“ geht auf die Anreise der Teilnehmenden, die Tagungsunterlagen, die Eröffnung und das Tagungsbüro ein. Was ist zum Beispiel bei unterschiedlichen Sitzordnungen zu beachten, was ist wichtig für die Mediennutzung, die Pausen-und für die Abendgestaltung. Ebenso hilfreich sind die Checklisten und die Anregungen, eine Tagung sinnvoll abzuschließen.

Kapitel vier beschäftigt sich mit der Dokumentation und der Evaluation der Tagung. Hierbei geht es auch darum, wie Ergebnisse der Tagung gesichert und kommuniziert werden können.

Fazit: Lernort Tagung – Buchvorstellung

Man merkt dem Buch an, dass die Autorin, bzw. der Autor Tagungs-Profis sind. Gut durchdachte Checklisten bieten Hilfestellungen für all, die eine Tagung planen und gestalten. Ganz besonders hilfreich sind die mitgedachten Katastrophen, die auf jeder Tagung eintreten: Unwetter, Bahnstreik, Absagen von Teilnehmenden, Absagen von Vortragenden, ausgefallene Moderator*innen oder fehlendes Material – Plan B wird immer gleich mitgedacht.

Das Buch ist besonders gut geeignet für alle diejenigen, die noch nie eine Tagung organisiert haben und vielleicht für jene, die dazu noch nie an einer gut vorbereiteten Tagung teilgenommen haben.

Was in dem Buch so gut wie gar nicht vorkommt, ist die Kommunikation (Auseinandersetzung) mit denjenigen, die die inhaltlichen Vorgaben für eine Tagung machen. Sofern Du die Person bist, die die Tagung als wissenschaftlicher Nachwuchs koordiniert, kann das auch noch eine Herausforderung sein, die anderen wissenschaftlichen Akteur*innen (Profs) zusammenzubringen und auf die Einhaltung der vereinbarten Deadlines zu pochen. Auch der „Rote Faden“ der Tagung entsteht aus dem Inhalt und es ist sehr kurz gedacht, Inhalt und Organisation/didaktische Konzeption nicht zusammenzubringen (wobei das Kapitel „Anlass und Ziele“ in Teil 1 hier Hilfestellung gibt).
Ebenfalls in letzter Zeit oft beobachtet ist, dass es auf einigen Tagungen ein Slot für den wissenschaftlichen Nachwuchs gibt. Das finde ich eine gute Idee, können doch Promovierende untereinander ihre Projekte vorstellen und miteinander diskutieren. Auch hilfreich ist hier zusätzlich ein Angebot zur Qualifizierung von Promovierenden anzubieten, eine Schreibwerkstatt, einen Coaching-/Selbstmanagement-Workshop oder eine Methodenwerkstatt. Das sollte bei einer Tagung mitgeplant werden, denn wenn der wissenschaftliche Nachwuchs einmal da ist, kann er sich auch noch einmal jenseits der gesamten Tagung vertikal vernetzen.
Wie arbeiten wissenschaftliche Tagungsorganisation und andere Stellen der Hochschulen zusammen? Auch das wird relativ wenig beleuchtet. Obwohl ich vermute, dass das Wissen über Tagungsorganisation an Hochschulen durch die befristeten Verträge verloren geht, gibt es in der Hochschulverwaltung oft hilfreiches Wissen, dass genutzt werden kann. Im besten Falle geht die inhaltliche und organisatorische Gestaltung einer Tagung Hand in Hand.

Als ergänzenden Tipp möchte ich vorschlagen, vor der Organisation einer Tagung eine andere Tagung oder Konferenz zu besuchen und aufmerksam zu beobachten und zu reflektieren und zu lernen. Dann weiß man gleich, wie es sich von der anderen Seite anfühlt.

Obwohl ich schon die eine oder andere Tagung vorbereitet habe (jaja, das ist lange her) würde ich dieses Buch unbedingt jenen empfehlen, deren Tagesgeschäft nicht in der Tagungsvorbereitung besteht und auf ihrer Wimi-Stelle einmal den Auftrag bekommt, eine Tagung vorzubereiten und ein Tagungsteam zu koordinieren. Zusätzlich empfehle ich auch, sich mit weiteren didaktischen Anregungen auseinander zu setzen, beispielsweise „Einführung in die Großgruppenmethoden von Ruth Seliger oder Thiagis Aktivitäten für berufliches, interkulturelles und politisches Lernen in Gruppen von Thiagarajan, Sivasailam und Samuel van den Bergh.

Lernort Tagung – Buchvorstellung.
Hier die Literaturangabe:

Christina Müller-Naevecke Ekkehard Nuissl (2016)  Lernort Tagung. Konzipieren, Realisieren, Evaluieren. wbv-Verlag. Aus der Buchreihe „Perspektive Praxis“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung. 141 Seiten. 19,90€ ISBN 978-3-7639-5715-6 ( bei Amazon)

Das Beitragsbild ist eine Bearbeitung des Buchcovers