Soll ich meine Dissertation lektorieren lassen?

Interview mit Theda Bader

Lektorat der Dissertation? Und wenn ja, wann und wie? Die Frage nach dem Thema „Lektorat für eine Dissertation beschäftigt mich immer wieder, denn ich bekomme viele Fragen dazu gestellt. Ich selber habe meine Dissertation nicht lektorieren lassen, naja: das sieht man dann auch 🙂
Ich habe mich daher sehr gefreut, als ich als Mitglied der Gesellschaft für Schreibforschung und Schreibdidaktik  Theda Bader kennengelernt habe und mit ihr diese Frage erörtern konnte.
Theda Bader ist freiberufliche Lektorin nd Betreibt das kleine Unternehmen „Doppelter Wortwert“ und hat mir ein Interview gegeben.

Seit wann bist Du Lektorin und wie war Dein Weg dahin?

Ich habe im Studium (Kulturwissenschaften in Hildesheim) angefangen, die Texte eines Professors zu lektorieren, das muss so im Jahr 2002 gewesen sein. Dabei habe ich festgestellt, dass meine Fähigkeiten im Umgang mit der deutschen Sprache gar nicht unbedingt für eigene Texte eingesetzt werden müssen, sondern auch gut für die Optimierung fremder Texte geeignet sind. Nach einigen Zwischenstationen habe ich mich dann 2009 als Wissenschafts-Lektorin und Schreibcoach selbstständig gemacht.

Hast Du ein Spezialgebiet?

Nein, ich lektoriere im Grunde alle Fächer und Themen. Interessanterweise sind es bei den Doktorarbeiten mehr Aufträge mit geisteswissenschaftlichen Themen als bei Bachelor- oder Masterarbeiten; dort überwiegen die technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer. Juristische und medizinische Arbeiten sind sehr selten.

Was genau wird bei einem Lektorat gemacht? Kann ich die Dissertation nach dem Lektorat einreichen?

Ein Lektorat umfasst in erster Linie die sprachliche Optimierung eines Textes, also die Tilgung von orthografischen und grammatikalischen Fehlern sowie die Glättung von stilistischen Unsauberkeiten. Nach Absprache kann auch der Aufbau mit in den Blick genommen werden, also die Logik der Struktur etc. Ein Lektorat greift nicht in den Inhalt ein – weshalb es zum einen für mich auch möglich ist, fachfremde Texte zu lektorieren, und zum anderen die Arbeit problemlos im Anschluss eingereicht werden kann. Die Verantwortung für den Text bleibt stets bei der Verfasser*in, ebenso bleibt auch die Leistung die der Verfasser*in.

Ist ein Lektorat erst nach den Gutachten und vor der Veröffentlichung sinnvoll?

Ein Lektorat ist ja auch immer ein bisschen die „Blaupause“ für den Leserblick: Verstehe ich als professionelle und wohlwollende Leserin den Text nicht, kann dies auch für andere gelten. Besteht zudem die Befürchtung, dass die Distanz zur eigenen sprachlichen Leistung vielleicht nicht mehr ausreichend gegeben ist, empfehle ich ein Lektorat auch vor der Abgabe. Die Veröffentlichung bedeutet häufig ja auch eine Überarbeitung hin zu einer etwas anderen, breiteren Zielgruppe, was wiederum andere „Brillen“ im Lektorat nötig machen kann. Kurzum: Eine Empfehlung für vor oder nach der Abgabe kann ich leider nicht aussprechen – was nichts mit meinen finanziellen Interessen zu tun hat 😉

Wie läuft der gesamte Prozess des Lektorates ab? Wie lange vor Abgabe sollte ich mich drum kümmern?

Je eher eine Lektor*in kontaktiert wird, desto besser. Zum einen hat man dann schon frühzeitig eine Ansprechpartner*in für sprachliche Fragen, zum anderen riskiert man nicht, kurzfristig niemanden mehr zu finden. Wie viel Zeit das Lektorat an sich braucht, hängt dann von mehreren Faktoren ab: Umfang der Arbeit, Zustand der Arbeit (also Arbeitsaufwand für die Lektor*in), Tempo der Bearbeitung und ggf. auch das allgemeine Auftragsaufkommen der Lektor*in. Unter zwei Wochen sollte man aber auf keinen Fall einplanen, besser sind vier oder mehr.

Bei mir läuft der Prozess wie folgt ab: Zunächst erstelle ich ein Probelektorat zur Ermittlung des Preises. Ich führe immer zwei Korrekturdurchläufe durch. Die „fertige“ Arbeit lasse ich mir dann als digitales Dokument rund 4–6 Wochen vor Abgabetermin (bzw. vor geplantem Drucktermin) zuschicken, ansonsten fällt ein Eilzuschlag an. Ich arbeite mit der „Änderungen nachvollziehen“-Funktion in Word. Es hat sich in der Vergangenheit als gut herausgestellt, wenn ich zunächst den ersten Durchlauf mache, der/die Schreibende dann die Arbeit zur Bearbeitung der Fragen, Kommentare etc. zurückbekommt und ich anschließend den finalen Durchlauf mache, auf Wunsch dabei auch alle Änderungen annehme und die verbliebenen Kommentare rausnehme. Meist ergeben sich aber auch mit dem zweiten Durchlauf noch einige Änderungen. Wenn von der Hochschule oder dem Fachbereich Vorgaben (bzgl. Formatierung und Aufbau Ihrer Arbeit) vorliegen, freue ich mich, wenn mir diese zur Verfügung gestellt werden. Erst nach Einreichung der Arbeit stelle ich meine Rechnung.

Wie finde ich die richtige Lektor*in?

Empfehlungen sind hier wie so oft sicher Gold wert. Manchmal halten auch Graduierten-Akademien Adressen bereit. Ansonsten würde ich einfach einige anschreiben, die sich per Internet-Suche finden lassen, und gucken, mit wessen Antwort ich mich am wohlsten fühle.

Wobei kann ein Lektorat helfen?

Bei (fast) allen sprachlichen Fragen zur Dissertation, aber nach Absprache auch beim Aufbau, dem Stil, verwendeten Methoden … So lange es nicht tief ins Inhaltliche geht, ist grundsätzlich alles möglich.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Lektorat? /Wann sollte ich eine Lektor*in anfragen?

Auch hier muss ich wieder sagen: Kommt drauf an. Darauf, was das Lektorat leisten soll/muss/kann. Darauf, wie früh ich mir eine Ansprechpartner*in wünsche (das können ggf. auch Schreibberater*innen und Schreibcoaches leisten). Für ein „normales“ Lektorat würde ich in etwa ein halbes Jahr vor der geplanten Abgabe auf die Suche nach einer Lektor*in gehen. Manche sind durchaus auch ein Jahr im Voraus ausgebucht.

Fremde Hilfe in Anspruch nehmen, ist das erlaubt?

Jutta: Wenn Promovierende die Arbeit lektorieren lassen, nehmen sie fremde Hilfe in Anspruch. Manche Promotionsbetreuer*innen lehnen das ab, weil man bei Abgabe der Dissertation angeben muss, dass man die Dissertation ohne fremde Hilfe erstellt hat. Wie siehst Du das?

Ja, du nimmst Hilfe in Anspruch. Aber diese betrifft meiner Ansicht nach (und die ist deckungsgleich mit der von vielen Kolleg*innen) NICHT jene Hilfen, die in der eidesstattlichen Erklärung ausgeschlossen werden. Ich bin in keiner Weise an deiner geistigen Leistung beteiligt, sondern betreibe lediglich „Kosmetik“ – wenn auch manchmal vielleicht recht intensiv 😉 Ein Lektorat optimiert einen Text sprachlich und gibt Rückmeldung zu Aspekten wie Aufbau und Adressatenorientierung. Es ist aber weit davon entfernt, eine Co-Autorenschaft zu sein.

Wieviel Zeit muss ich als Promovend*in nach einem Lektorat noch einplanen?

Das hängt ebenfalls von einigen Faktoren ab: Umfang der Arbeit, Menge der Änderungen und „Arbeitsaufträge“ seitens der Lektor*in, die eigene zur Verfügung stehende Zeit (komme ich nur abends zum Nachbearbeiten, sind Kinder zu hüten etc.). Für das gesamte Lektorat würde ich vier bis sechs Wochen einplanen (was aber wirklich sehr vom Umfang der Arbeit und dem Überarbeitungsaufwand abhängt).

Wie sollte der Entwurfsstatus einer zu lektorierenden Dissertation sein – muss sie „fertig“ sein?

Nein, fertig muss sie nicht sein (wann ist das ein Text schon?). Letztlich ist es eine Frage der Absprache mit der Lektor*in, in welchem Status sie lektoriert; zu roh sollte der Text in der Regel nicht sein. Und es ist natürlich eine Frage des Preises – je roher, desto teurer.

Wie teuer wäre ein Lektorat?

Auch das hängt wieder stark von Umfang und Status der Arbeit ab. Ich arbeite mit Normseiten-Preisen, eine Normseite umfasst 1.500 Zeichen inkl. Leerzeichen (hier gut zu ermitteln: http://charcount.com/de (auf die richtige Zeichenzahl achten). Meist kosten Lektorate bei mir zwischen 4 und 6 Euro/Normseite (zzgl. 19 % MwSt.). Den genauen Preis ermittle ich immer mittels eines Probelektorats auf der Basis von ca. 5 Seiten der Arbeit. Dies hat für Schreibende auch immer den Vorteil, dass sie sich ein genaues Bild meiner Arbeitsweise machen können.

Kann ich auch nur einen Teil lektorieren lassen, z.B. aus Kostengründen?

Klar, das geht auch. Wie sinnvoll es im Einzelfall ist, würde ich aber immer überprüfen – nicht, dass die Arbeit dann sprachliche oder andere Brüche aufweist. Ich würde mir in so einem Fall immer eine Liste von der Lektor*in anfertigen lassen, auf der alle wesentlichen Änderungen aufgeführt sind, damit dies auch im Rest der Arbeit angepasst werden kann. Und es ist natürlich auch gut, wenn die Lektor*in später noch für Rückfragen zur Verfügung steht.

Hast Du als Lektorin ein paar Tipps, wie Promovierende die Phase des Lektorierens ihrer Dissertation vorbereiten können?

Meine größte Bitte: die Arbeit vorher selbst gründlich lesen. Darüber hinaus sollte von vorneherein mit Formatvorlagen gearbeitet werden, um frühestmöglich alles einheitlich zu haben. Auch eine von Beginn an geführte Liste von Abkürzungen, eine Festlegung auf eine Systematik der Hervorhebungen und Quellenangaben sowie der Zitation sind sehr sinnvoll. Ein Literaturverwaltungsprogramm wie Citavi ist ebenfalls zu empfehlen. Und wenn es dann sogar noch ein paar Fragen oder Punkte für das Feedback gibt, wäre zumindest ich schon sehr zufrieden 😉

Das sind alles keine bahnbrechend revolutionären Tipps, aber das wenigste davon finde ich tatsächlich in Manuskripten, die mir für das Lektorat geschickt werden.

Hier geht es zu Theda Bader und „Doppelter Wortwert“

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Zahlt sich ein Lektorat bei einer Doktorarbeit aus?